Der Weltcup-Winter 2020/2021 ist auch für die Damen Geschichte. Spannend und sehr speziell durch die Corona-Situation war er auf alle Fälle. Die Leistungen der deutschen Springerinnen waren dagegen eher schwach. Punktuelle Freuden lassen aber zumindest etwas hoffen.

Während die Herren schon im November im polnischen Wisla in die Weltcup-Spur starten durften, lief der Damen-Weltcup erst kurz vor Weihnachten im österreichischen Ramsau an. Ein schon schlanker Kalender wurde durch die Corona-Pandemie noch weiter ausgedünnt. Umso schöner ist es, dass die Saison durchgezogen wurde. Athletinnen wie Gesamtweltcupsiegerin Nika Kriznar (Slowenien), die Weltmeisterinnen Ema Klinec (Slowenien) und Maren Lundby (Norwegen), Sara Takanashi (Japan) oder auch Marita Kramer (Österreich) zeigten einmal mehr, dass das Damen-Skispringen seinen Reiz hat und nach wie vor mehr Aufmerksamkeit und Honorar verdient.

Althaus und Rupprecht mit Lichtblicken

Schade nur, dass dieser Funke nicht wirklich nach Deutschland überschwappte. Die Leistungen der DSV-Damen blieben im abgelaufenen Winter eher bescheiden. In der letzten Saison von Bundestrainer Andreas Bauer gab es keinen Einzel-Podestplatz einer DSV-Springerin. Seit der Einführung des Weltcups zur Saison 2011/2012 sind die deutschen Frauen nur einmal – nämlich in der Saison 2015/2016 – ohne Podestplatz geblieben. Doch zumindest punktuell gab es Lichtblicke. Vor allem der WM-Auftritt von Katharina Althaus (24, SC Oberstdorf) und Anna Rupprecht (24, SC Degenfeld) in Oberstdorf bewies, dass auf die Damen durchaus verlass ist. Beide Springerinnen waren mit ihren Einzelleistungen ein Garant für die Goldmedaille im Mixed-Team und somit die perfekte Ergänzung zum männlichen Duo Karl Geiger und Markus Eisenbichler.

Im Weltcup zumeist Mittelmaß

Der Alltag im Weltcup dagegen war mehr Frust als Lust. Hinter den Top-Nationen aus Österreich (3053 P.), Slowenien (2883 P.) und Norwegen (2480 P.) spielte die deutsche Mannschaft im abgelaufenen Winter noch hinter Japan (2050 P.) nur die fünfte Geige (1408 P.). 1645 Punkte Rückstand auf Österreich sind dabei ein Spiegelbild der Saisonverhältnisse. Als beste Deutsche beendete Katharina Althaus (316 P.) in der Gesamtwertung auf Platz neun die Saison – Rang sechs im slowenischen Ljubno war ihr bestes Tagesergebnis. Regelmäßig in die Zähler flog Anna Rupprecht (225 P.) und erarbeitete sich nach langer Verletzungspause einen akzeptablen 17. Platz in der Endabrechnung. Die 24-Jährige verpasste die Saison 2019/2020 nach einem Meniskusriss sowie Knorpelschaden im Sommer. Das Comeback von Anna Rupprecht im abgelaufenen Winter kann sich sehen lassen und lässt für die Zukunft auf mehr hoffen.

Vogt wird zur Dauerpatientin – Seyfarth mehr Hase als Adler

Wie die Zukunft von Carina Vogt (29, SC Degenfeld) aussieht, ist eher ungewiss. Mühevoll hat sich die 29-Jährige nach einem Kreuzbandriss im Juli 2019 zurückgekämpft und ging ab Januar – nach fast zwei Jahren Abwesenheit – wieder im Weltcup an den Start (32., 59 P.). Doch ausgerechnet der WM-Auftritt sollte überhaupt nicht rund laufen. Rang 30 im Einzel von der Normalschanze waren für die fünffache Weltmeisterin ernüchternd. Danach blieb ihr nur die Zuschauerrolle übrig. Zu allem Überfluss musste sich Vogt mittlerweile wieder einer Knie-OP unterziehen. Ob die erneute Rückkehr in den Weltcup klappt? Zum jetzigen Zeitpunkt steht dies in den Sternen.

Baustellen anderer Art hatte hingegen Juliane Seyfarth (31, WSC 07 Ruhla). Über weite Strecken der Saison konnte die 31-Jährige nicht ihre perfekten Sprünge liefern. „Es gibt so viele kleine Fehler, die weite Sprünge verhindern. Es braucht noch mehr Fluss im Flug, ich muss lockerer und konstanter springen“, erklärte Seyfarth bereits im Februar. Erfolgserlebnisse im Weltcup blieben rar. Rang 28 (67 P.) in der Gesamtwertung sind deutlich hinter ihren eigenen Erwartungen. Überhaupt lassen sich die Saisonhighlights von Juliane Seyfarth auf die Tage von Oberstdorf reduzieren. Vor der Heim-WM machte die 31-Jährige Schlagzeilen abseits der Schanze – mit Fotos in der März-Ausgabe des Playboys. Und während der Weltmeisterschaften lieferte sie einen zehnten Rang auf der Großschanze – und war damit zugleich beste Deutsche in dieser Einzelentscheidung. Sonst kam Juliane Seyfarth nicht über Platz 17 hinaus.

Zu wenig Druck aus der zweiten Reihe

Und die anderen Fliegerinnen machten es auch nicht viel besser. Beim Blick auf die Endabrechnung finden sich die deutschen Springerinnen weiter hinten im Klassement. Luisa Görlich (22, WSV 08 Lauscha) verzeichnete den 26. Platz (79 P.). Selina Freitag (19, SG Nickelhütte Aue) muss sich mit Rang 37 (43 P.) begnügen. Agnes Reisch (21, WSV Isny) und Pauline Heßler (22, WSV 08 Lauscha) beendeten die Saison auf den Plätzen 43 und 44 – mit elf bzw. acht Punkten auf dem Konto. Neben Problemen in der Sprungtechnik hatte vor allem Pauline Heßler mit körperlichen Beschwerden zu kämpfen: „Ich war Anfang des Winters verletzt, hatte eine Fußverletzung. Und dadurch hatte ich die Sichtungswettkämpfe verpasst.“ Erst gegen Ende des Winters kam die 22-Jährige wieder in Fahrt und sammelte zum Abschluss der Saison noch Weltcup-Punkte auf der Bluebird-Tour in Russland.

Lia Böhme: Die positive Überraschung in Lahti

Hoffnung für den neuen Winter macht aber der Damen-Nachwuchs. Auch wenn bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Lahti das Top-Ergebnis ausblieb, so hat der DSV noch ein paar Talente in der Hinterhand, die schon in der kommenden Saison im Continentalcup oder gar Weltcup weiterhelfen können. Lia Böhme (15, SV Zschopau) hat als beste Deutsche im Einzel mit Platz 15 ein starkes Zeichen gesetzt und unterstreicht damit ihr großes Talent für die Zukunft. Talent, das auch Michelle Göbel (17, SC Willingen), Pia Lilian Kübler (18, SV Zschopau) und Josephin Laue (19, SFV Rothenburg) hat. Der Nachfolger von Andreas Bauer kann sich allemal auf die kommende Zusammenarbeit mit den Nachwuchshoffnungen freuen.

Wer tritt die Nachfolge von Andreas Bauer an?

Fragt sich nur: Wer wird neuer Bundestrainer der Damen-Mannschaft? Mit dem Ende der Wintersaison hat Andreas Bauer (57) den Trainer-Posten abgegeben. Der 57-Jährige hat das Damen-Team zum Winter 2011/2012 als Chef übernommen und ein Jahrzehnt lang geprägt. Athletinnen wie Carina Vogt, Katharina Althaus und Juliane Seyfarth hat er in der 2010er-Jahren zu großen Erfolgen gecoacht. Doch auch der Oberstdorfer konnte den Abwärtstrend in diesem Winter nicht stoppen. Sein Rücktritt als Bundestrainer hat weniger mit der sportlichen Situation zu tun. Dafür stehen bei Andreas Bauer neue private Projekte an, die zeitaufwändig sind.

Als möglicher Nachfolger wird laut Badischer Zeitung (BZ) ein Schwarzwälder gehandelt: Rolf Schilli (54), Landestrainer aus Baden-Württemberg. Und für die Personalie Schilli gibt es gute Argumente. Der 54-Jährige kennt die Strukturen des DSV wie seine eigene Westentasche, war als Co-Trainer der Weltcupadler tätig und hat schon in Baden-Württemberg das Damen-Skispringen prägend aufgebaut. Springerinnen wie Ramona Straub (27, SC Langenordnach) sind unter seiner Leitung in die erweiterte Weltspitze vorgedrungen. Und auch sonst genießt Rolf Schilli den Ruf als Macher, der aus bescheidenen Mitteln möglichst viel herausholen kann. Für wen sich der Deutsche Skiverband letztendlich entscheiden wird, werden die nächsten Wochen zeigen. Doch eine Sache steht schon jetzt fest: Das deutsche Damen-Skispringen hat im Vergleich zur internationalen Konkurrenz großen Rückstand – und dieser muss erst wieder aufgeholt werden.

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