Der Saisonstart im polnischen Wisla steht unmittelbar vor der Tür. Es ist damit zu rechnen das die großen Namen der vergangenen Saisons wie Ryoyu Kobayashi, Stefan Kraft, Karl Geiger, Marius Lindvik und Halvor Egner Granerud auch im kommenden Winter die Pace bestimmen werden. Immer wieder schaffen es aber auch Springer in die Weltspitze oder zumindest die erweiterte Weltspitze, die zuvor kaum jemand auf der Rechnung hatte. Wir sehen uns potenzielle Kandidaten an, die in der Saison 2022/23 überraschend für Furore sorgen könnten.
Ren Nikaido
Ren Nikaido ist die Neuentdeckung im japanischen Skispringen. Bis zum Sommer 2022 hatte der 21-Jährige kaum etwas auf der Visitenkarte stehen. Lediglich ein sechster Platz bei den Junioren Weltmeisterschaften im Jahr 2021 und ein vierter Platz beim COC in Klingenthal (2021) deuteten an, dass ein starkes japanisches Talent heranwächst. In den vergangenen Monaten kam es bei Nikaido aber zu einer regelrechten Leistungsexplosion. Der Youngster machte zunächst mit zwei zweiten Plätzen beim COC in Lillehammer auf sich aufmerksam und gewann anschließend beim zugegeben eher schwach besetzten Sommer-Grand-Prix-Springen in Rasnov erstmals auf internationaler Ebene. Seine starken Leistungen konnte mit den Rängen fünf und elf auch beim Grand Prix in Hinzenbach und Klingenthal bestätigen.
Auf nationaler Ebene dominierte er das Geschehen gemeinsam mit Ryoyu Kobayashi und stellte dem Weltklasse-Springer bei so manchen Pokal-Springen ein Bein. Bei den nationalen Titelkämpfen sah all das ähnlich aus. So gewann Nikaido von der Normalschanze, wohingegen Kobayashi auf der Großschanze die Nase vorne hatte. Einen Weltcup-Punkt hat Nikaido bislang noch nicht ersprungern. Lediglich zwei Einsätze bei den Heimspringen in Saporro hat er hinter sich. In diesem Winter wird sich das aber mit Sicherheit ändern. Nikaido ist einer der spannendsten Newcomer im Feld. Keiner kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, wo die Reise hingeht.
Daniel Tschofenig
Daniel Tschofenig war immer der vergangenen Saison schon so etwas wie eine Neuentdeckung im ÖSV-Team. Der 20-Jährige sammelte konstant Weltcup-Punkte und erreichte viermal die Top 10. Sein bestes Ergebnis war ein fünfter Rang in Zakopane. Im polnischen Wintersport-Traditionsort feierte der Österreicher auch bei den Junioren-Weltmeisterschaft große Erfolge. Neben Gold im Einzel, gelang ihm auch mit dem Team und den Mixed-Team der Sprung aufs oberste Treppchen. Solche Erfolge sind zwar – wie die Vergangenheit zeigt – keine Garantie für die die Zukunft, jedoch scheint Tschofenig auf einem tollen Weg zu sein.
Den Sommer-Grand-Prix beendete er nach Rang 4,5,11 und 7 in den einzelnen Wettbewerben auf dem siebten Gesamtrang.Bei den österreichischen Titelkämpfen reichte es zudem zweimal für das Podium. „Ich denke, dass er der nächste Stefan Kraft werden kann. Dieser Junge hat alles, um durchzustarten – auch im Kopf ist er schon weit“, erklärte sein Ex-Trainer Thomas Thurnbichler, der nun als Cheftrainer in Polen aktiv ist, gegenüber der „Krone“. Auch der Springer selbst zeigte sich selbstbewusst. „Die Form sollte gut sein. Früher habe ich beim Übergang ins Fliegen viel Geschwindigkeit verloren, das haben wir mittlerweile ausgemerzt“, erklärte er sein Erfolgsrezept. Eine gewisse Erwartungshaltung stellt er demnach durchaus an sich. „Ich will direkt vorne mitspringen, die Top-10 wären sicher ein Traum“, wird der Youngster von der „Krone“ zitiert. Nach den letzten Eindrücken sollte dieses Ziel auch realistisch sein.
Pawel Wasek
Es ist kein Geheimnis, dass es um den polnischen Nachwuchs nicht ganz so gut bestellt ist. Pawel Wasek jedoch ist ein echter Hoffnungsschimmer am polnischen Skisprung-Himmel. Der 23-Jährige hat in der vergangenen Saison schon sporadisch sein Können aufblitzen lassen und nach den Rängen 14 und 18 in Oslo die Raw-Air auf einem respektablen 19. Rang beendet. In diesem Sommer zeigte Wasek sehr konstante Leistungen und sprang beim Auftakt in Wisla mit den Rängen sieben und zehn gleich zweimal unter die Top 10. Einige Wochen später gelang ihm in Rasnov mit Rang zwei sogar ein Podiumsplatz. Auch gegen Ende des Sommers zeigte er in Hinzenbach einen sehr respektablen achten Rang. Lediglich in Klingenthal lief es nicht ganz so gut, wo er nach Rang 17 in Durchgang eins disqualifiziert wurde. Trotz allem beendete er den Sommer-Grand-Prix auf dem vierten Rang. Es ist eher unwahrscheinlich, dass es Wasek in der kommenden Saison in die absolute Weltspitze schafft. Um Rang 15 könnte er sich dank seiner stabilen Grundtechnik jedoch allemal bewegen.
Kasper Juroszek
Kasper Juroszek gehört wie Wasek zu den jungen Polen, die die Lücke zu Kubacki, Stoch und Zyla schließen wollen. Zum ersten Mal wirklich auffällig wurde er beim COC in Brotterode, wo er die Ränge eins und zwei belegte. Im Gegensatz zu Wasek hat Juroszek im Weltcup allerdings noch wenig vorzuweisen. Erste Ende Februar 2022 gab der 21-Jährige in Lahti sein Weltcup-Debüt, verpasste das Finale als 32 aber knapp. Auch bei seinen drei weiteren Einsätzen landete er zwar unter den Top 40, nicht aber in den Punkterängen. Immerhin zeigten die Ergebnisse, das der Weg für den polnischen Hoffnungsträger gar nicht mehr so weit ist. Unmittelbar vor dem Saisonstart in Wisla scheint er für seine ersten Punkte mehr als nur bereit zu sein. Die Ränge 9 und 13 bei den jüngsten Grand-Prix-Springen in Hinzenbach und Klingenthal unterstreichen das. Juroszek ist ein starker Abspringer, der nach und nach auch seine Defizite in der Luft abstellen kann. Auf eine ähnliche Art und Weise haben einst auch Malysz, Zyla und Kubacki den Sprung in die Weltspitze geschafft. In den Top 10 ist Juroszek im kommenden Winter höchstens punktuell zu erwarten, eine große Verstärkung für das polnische Team kann er aber allemal sein.
Philipp Raimund
In den vergangenen Jahren gab es im DSV-Team kaum Bewegung. Dies war lediglich der Fall, wenn sich Springer verletzten oder von ihrer Pause wieder zurückkehrten. Im Sommer hat jedoch der 22-jährige Philipp Raimund die deutsche Hierarchie durcheinander gewirbelt. Der Oberstdorfer präsentierte sich so stark, dass er Stephan Leyhe aus dem Aufgebot für Wisla verdrängen konnte. Raimund machte bereits im August mit einem siebten Platz in Courchevel auf sich aufmerksam und bestätigte diese Leistung mit Rang zwölf beim stark besetzten Grand-Prix-Abschluss in Klingenthal. Mit Rang fünf bei den nationalen Titelkämpfen bestätigte er zudem, dass er aktuell ins deutsche Team gehört. Überraschend kommt diese Entwicklung allerdings nicht. Bereits im vergangenen Winter war Raimund der stärkste deutsche COC-Springer und erzielte auch beim Weltcup in Titisee-Neustadt zweimal Punkte. ARD-Experte Sven Hannerwald setzt große Hoffnungen in den jungen Springer. „Mit Andreas Wellinger und Philipp Raimund, der im Sommer groß auf sich aufmerksam machte, gibt es zwei weitere Namen, die das DSV-Team auch in der Spitze verstärken könnten“, prophezeite er. „Er bringt viel Energie aus den Beinen mit und könnte bei einer weiteren Stabilisierung im Winter eine positive Überraschung werden“, legte sich Hannerwald fest. Zu viel sollte man sich von Raimund noch nicht erwarten, jedoch scheint Potenzial zur Genüge vorhanden zu sein. Zum Saisonstart lautet die Devise fürs Erste konstant zu punkten. Mal sehen, was dann noch in Richtung Top 20 oder Top 15 möglich ist.
Giovanni Bresadola
Dreimal erreichte der Italiener Giovanni Bresadola im vergangenen Winter die Weltcup-Punkte, erzielte aber lediglich die Ränge 28, 29 und 30. Etwas besser lief es da schon bei der Skiflug-WM, die er auf einem beachtlichen 21. Rang abschloss. Im Sommer-Grand-Prix erreichte der 21-Jährige mit den Rängen 8 in Courchevel und 12 in Rasnov achtbare Resultate, jedoch sei dabei angemerkt, dass beide Springen nicht sonderlich gut besetzt waren. Vor versammelter Elite in Klingenthal reichte es dann nur für Rang 48. Alles beim Alten, könnte man also meinen. Dem ist aber wahrscheinlich nicht so. Bresadola vermasselte zwar den Wettkampfsprung, brillierte zuvor jedoch mit Rang zwei in der Quali, nur 0,6 Punkte hinter dem Slowenen Lanisek. Beim Mixed-Team-Springen war er ebenfalls immerhin der siebtbeste Springer aller Teilnehmer. Eine Prognose in Bezug auf den Winter zu wagen, ist extrem schwierig. Klar ist jedoch, dass der Springer ein gutes Fluggefühl besitzt und der größte italienische Hoffnungsträger seit Jahren ist. Überraschungs-Potenzial ist sicherlich vorhanden, wenngleich es mit Top-10-Plätzen natürlich schwierig wird.
Kristoffer Eriksen Sundal
Der Name Kristoffer Eriksen dürfte noch nicht sonderlich geläufig sein. Der 21-Jährige tauchte erst im Sommer 2021 erstmals im COC auf und erzielte zunächst keine bedeutungsvollen Ergebnisse. Das änderte sich jedoch in diesem Sommer. Der Norweger sprang auf COC-Ebene viermal aufs Podium und landete bei drei weiteren Springen unter den Top 6. Stark präsentierte er sich zudem bei den norwegischen Meisterschaften, bei denen er sich nur Daniel André Tande und Marius Lindvik geschlagen geben musste. Halvor-Egner Granerud ließ er hingegen hinter sich. Dank seiner starken Leistungen im Sommer darf Sundal in Wisla den Startplatz nutzen, den er sich selbst im COC ersprungen hat. Sundal wäre nicht der erste Norweger, der praktisch von 0 auf 100 in die Weltspitze schießt. So etwas zu erwarten, wäre vielleicht vermessen, jedoch ist der junge Norweger definitiv einer der Kandidaten, die uns im Winter überraschen könnten.