Bei Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften und der Raw Air sind die Damen längst vertreten und auch der Weltcup-Kalender lässt sich inzwischen absolut sehen. Allerdings fehlt in der „Gleichberechtigung“ noch ein Schritt. Wenngleich im slowenischen Ljubno zum Jahreswechsel erstmals ein Silvester- und ein Neujahresspringen ausgetragen wird, haben die Damen weiterhin keine Vierschanzentournee. Dies könnte sich jedoch schon im kommenden Winter ändern.
Kaum ein Wintersport-Event vereinigt derart viele Fans vor dem Sofa, wie die traditionelle Vierschanzentournee. Während die Männer in dieser Saison das 70-jährige Tournee-Jubiläum feiern, blickten die Damen bislang in die Röhre. Demnach ist es wenig verwunderlich, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Stimmen laut wurden, die eine Damen-Tournee fordern. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Stimmen in Hinblick auf die kommende Saison Gehör finden. „Die vier Tournee-Orte wollen die Frauen-Vierschanzentournee haben. Da gibt es einen einstimmigen Beschluss, dass man möglichst bald damit starten kann“, sagte Tournee-Präsident Peter Kruijer der Nachrichtenagentur ‚dpa‘.
Allerdings ist noch nicht ganz klar, ob die Eventserie für die Skispringerinnen an den gleichen Orten stattfinden, die bei den Männern traditionell angesteuert werden. Wenngleich die österreichische Top-Springerin Marita Kramer und einige ihrer Kolleginnen ein „Parallelevent“ zu den Herren anstreben, erteilte der ÖSV dem fast schon eine Absage. „Wir sind gefragt worden, ob wir gemeinsam eine Art Tournee für die Frauen durchführen wollen. Wir haben dann als erste Anlaufstelle Villach mit im Boot gehabt. Uns ist es wichtig, dass es eine langfristige und sehr, sehr gute und die bestmögliche Lösung gibt. Das ist unsere Priorität und mit Villach und Ljubno gegeben“, zitierte das ORF Mario Stecher, sportlicher Leiter für Skispringen und Nordische Kombination.
Springern in Ljubno, Villach und Italien? Stecher will kein Beiwagel zur Männer-Tournee
In den nächsten Monaten sollen Gespräche stattfinden und bis zur Kalenderkonferenz im Frühjahr sämtliche Details stehen. Schon jetzt sind für die Saison 2022/23 Springen in Villach und Ljubno angedacht. Im weiteren Verlauf könnte eine italienische Station hinzukommen, wodurch eine Dreiländertournee angeboten werden könnte. Für Stecher hat es die größte Priorität, dass die Damen-Tournee kein „Beiwagerl“ zu der Männer-Tournee, sondern ein eigenes Produkt wird. Ebenso wichtig sei es jedoch „keinen Schnellschuss zu fassen“.
Mit dem Vorschlag, über Ljubno und Villach eine Tournee aufzuziehen, wäre ein krasser Gegenentwurf zu den Bestrebungen der besten Springerinnen, vermehrt auf Großschanzen zu springen. Schließlich liegt der Hillsize bei beiden Anlagen auf weniger als 100 Metern. Stecher sieht dies jedoch nicht als Problem. „Man muss den Mehrwert von dieser Möglichkeit sehen. Du hast vielleicht mal die Möglichkeit, mehrere Kugeln zu holen. Und ein Weltcup kann nur stattfinden, wenn 30 am Start sind. Derzeit ist das für die Besten ohne Probleme zu bewerkstelligen, aber nicht für die Breite. Vielleicht dann aber in drei oder sechs, sieben Jahren,“ erklärte der Österreicher.
Tournee nicht an den klassischen Standorten? Eine Idee, mit einigen Schwächen
Ganz logisch ist die Argumentation von Stecher jedoch nicht, wenn man bedenkt, dass in der laufenden Saison unter anderem von den Großschanzen in Lillehammer, Klingenthal und Willingen gesprungen wird. Bislang lässt sich nicht ablesen, dass auf Großschanzen ein eklatant kleineres Starterfeld antritt. Die Raw Air macht es vor, wenngleich das Skifliegen in Vikersund den Herren vorbehalten bleibt. Die Tournee-Schanzen Oberstdorf, Garmisch-Patenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen sollten jedoch keine Probleme darstellen. Zudem macht es wenig Sinn eine „langfristige Lösung anzustreben“, um dann in drei, sechs oder sieben Jahren auf andere Schanzen zu wechseln. So wächst keine Tradition.
Generell liefert der Vorschlag von Mario Stecher einige Punkte die man kritisch ansehen muss. Die Tournee lebt zum großen Teil vom ganz besonderen Flair der vier Schanzen und seiner langen Tradition. Weder die Team Tour, das Nordic Tournament oder die Raw Air kommen hier ran. Wenn man eine Damen-Tournee ins Leben berufen möchte, muss man versuchen das Tournee-Feeling so gut es geht aufkommen zu lassen. Mit Wettbewerben in Ljubno, Villach und Italien wäre man hiervon fast genau so weit entfernt, wie mit der bereits existierenden „Blue Bird Tour“. Selbst das klassische Muster mit zwei Stationen in Österreich und zwei Stationen in Deutschland würde gebrochen werden. Es hilft nicht viel, irgendwelche Orte ausfindig zu machen und zu sagen: „Das ist jetzt unsere Tournee“. Während in Italien fast schon garantiert wäre, dass keine Leute zusehen, bestände in Villach und Ljubno die Gefahr, dass es potenzielle Zuschauer eher an die Männer-Standorte zieht.
Damen-Tournee an den gleichen Standorten? Folgende Optionen wären realistisch
Demnach könnte es aussichtsreicher sein, auf den fahrenden Zug aufzuspringen, an den Herren-Standorten zu springen und von der bestehenden Tradition zu profitieren. Möglich wäre es beispielsweise, die Herren- und Damenwettbewerbe zu koppeln. Dies könnte bedeuten, dass man mit dem 1. Durchgang der Damen beginnt, mit dem 1. Durchgang der Herren fortfährt und im Anschluss die beiden Finaldurchgänge stattfinden lässt. Hierbei wäre zumindest nach Abwschwächen/Ende der Corona-Problematik ein ausverkauftes Haus garantiert. Selbst wenn sich der ein oder andere Fan vielleicht während dem Damen-Springen lieber eine Bratwurst und ein Bier holt, werden noch immer die meisten Augen auf die Springerinnen gerichtet sein. Ein bisschen was von „Beiwagerl“ hätte diese Option schon, aber das muss man vielleicht auch in Kauf nehmen. Eine andere Option wäre natürlich, die Damen-Wettbewerbe immer am Tag der Herren-Qualifikation stattfinden zu lassen. Mit diesen zwei Programmpunkten würde man einen Stadionbesuch definitiv interessanter machen. Selbst wenn die Arenen womöglich nicht ausverkauft wären, ständen die Chancen auf stimmungsvolle Springen gut. Hiermit könnte man auch verhindern, dass der Damen-Wettkampf zum Vorprogramm oder Pausenfüller wird.
Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass man mit diesen Optionen den Wünschen der Springerinnen gerecht werden würde. Auf den vergleichsweise unspektakulären Schanzen von Ljubno und Villach wäre dies wohl nicht der Fall. Vor allem würden aber die Zuschauer mit großer Wahrscheinlichkeit fehlen, wodurch das Produkt auch kaum wachsen würde. Zudem würden wohl auch nur Leute kommen, die sich ohnehin schon für das Damen-Skispringen begeistern. An den echten Tournee-Standorten könnte man bei einigen Fans, die grundsätzlich wegen der Herren anreisen, auch das Interesse für die Springerinnen wecken.
An den Ausrichtern sollte es prinzipiell nicht scheitern. Bischofshofen-Organisationschef Manfred Schützenhofer erklärte noch vor dem Stecher-Statement hoffnungsvoll, dass es mit einer Tournee in Oberstdorf, Garmisch-Patenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen klappen könnte. Allerdings präferiere man offenbar die Option, bei der Frauen und Männer am gleichen Tag jeweils auf der anderen deutschen bzw. österreichischen Schanze springen.
Allerdings bestände auch hier die große Gefahr, dass gut 90 Prozent der potenziellen Zuschauern bei den Männer-Wettkämpfen in die Stadien strömen. Finden die Springen am gleichen Tag an verschiedenen Orten statt, haben die Stadienbesucher bei den Damen-Wettbewerben mehrheitlich nicht mal mehr die Gelegenheit, den Herren-Wettkampf im TV zu sehen. Das dürfte einige Fans vom Ticket-Kauf abhalten.
Vorteil dieser Option wäre selbstredend, dass die Organisation an den jeweiligen Standpunkten leichter wäre. Gerade bei Wetterkapriolen kann es schon mal schwierig werden, Herren- und Damen an einem Tag vom Bakken zu bekommen. Immerhin haben inzwischen aber auch drei von vier Anlagen ein Flutlicht. Wie so oft gilt auch hier das Prinzip: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
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