Sie gehören zu den erfolgreichsten Wintersport-Nationen der Welt: Im ewigen Medaillenspiegel bei olympischen Winterspielen, liegen die Vereinigten Staaten von Amerika auf Rang drei und Kanada auf Rang fünf. Im Skispringen sind beide Nationen jedoch lediglich ein kleines Licht, dass weit weg vom Skisprung-Mekka Europa leuchtet. Eine Tatsache, die reicht, dass aus bitteren Rivalen, wie im Eishockey, gute Freunde werden. So verkündeten die beiden Teams im Jahr 2012 eine sogenannte Kooperation. Durch gemeinsames Training und Meisterschaftsspringen sowie dem Austausch von Know-How, wollte man den Abstand auf die Top-Nationen verkürzen. Bahnbrechende Erfolge konnte man jedoch bislang noch nicht landen, zumal Erfolge amerikanischer Springer in den letzten Jahren die Ausnahme blieben.

Zwischen Genie und Wahnsinn pendelte der beste US-Amerikaner Kevin Bickner in den letzten Jahren. Der 24-Jähriger besitzt einen aggressiven Flugstil, der Potenzial, aber auch zahlreiche Probleme mit sich bringt. So vermag der talentierte Amerikaner diesen noch nicht völlig zu kontrollieren. So zu sehen, bei seinem besten Weltcup-Resultat in Vikersund im Jahr 2017. Nach einem sensationellen neuen Landesrekord von 244,5 Meter stürzte er sich auch im zweiten Durchgang mit voller Attacke nach unten. Jedoch verlor er im letzten Flugviertel derart die Kontrolle über die Ski, dass er bei 233,5 Metern böse zu Fall kam. Statt einem Platz unter den Top-10, reichte es also „nur“ zu Rang 15. Doch spätestens hier wurde sein enormes Potenzial deutlich. Dieses abzurufen war jedoch in den letzten Jahren ein größeres Problem. Seine größten Erfolge gelangen ihm mit den Rängen 18 und 20 bei den Olympischen Spielen 2018. In der vorherigen Saison holte der US-Boy lediglich in Engelberg (22.) und Garmisch-Partenkirchen (26.) Weltcup-Punkte. Nun geht es für Bickner vorrangig darum, seine Sprünge zu stabilisieren. Rein vom Potenzial hätte der stärkste Amerikaner durchaus die Möglichkeiten dauerhaft in die Top-20 zu springen. Die erste Chance auf ein Ausrufezeichen, könnte bereits die Skiflug-WM in Planica sein.

„Das ist nun mal die Welt, in der wir leben“: Andrew Urlaub berichtet über Corona-bedingte Schwierigkeiten

Neben Bickner wurden mit Casey Larson, Andrew Urlaub, Decker Dean und Patrick Gasienica vier weitere Springer in den Kader berufen. Der bekannteste darunter ist wohl Casey Larson, der bei der Nordischen Ski WM in Seefeld bereits einen 28. Platz erringen konnte. Im Sommer zwang diesen aber eine langwierige Schulterverletzung zu einer Pause. So benötigt der 21-Jährige vorerst noch etwas Zeit. „Ich bin noch nicht bereit für Wettkämpfe, aber endlich zurück auf der Schanze“, freut er sich in den sozialen Netzwerken. So traten Andrew Urlaub und Dean Decker bei den GP-Springen in Wisla an, wo sie die Ränge 42 und 37 sowie 40 und 35 erzielten. Ersterer verrät im Interview mit usanordic.org einige spannende Einblicke. „Als Team hatten wir einen ziemlich späten Start in den Sommer. Wir fangen normalerweise Anfang Juni an zu springen, diesmal war es Mitte Juli. Es war wenig Vorbereitungszeit für einen internationalen Wettstreit und die Konstanz hat aufgrund zu weniger Sprünge gefehlt. Wenn ich zurückblicke, bin ich sehr froh, dass wir gegangen sind. Es war ein guter Grundstein für den Sommer und im Hinblick auf den Winter“, erklärt Andrew Urlaub. Die fehlende Vorbereitungszeit lag in erster Linie an den Corona-Beschränkungen, die der 19-Jährige folgendermaßen beschreibt „Am Anfang war es sehr schwierig, weil wir viel reisen. Um April und Mai, als wir versuchten, Pläne für den Sommer zu schmieden, war es quasi unmöglich. Fast täglich folgten neue Regeln, Vorschriften und Reiseverbote. Erst im Juni nahm unsere Planung Gestalt an. Dann trafen wir in Wisla erstmals unsere internationalen Konkurrenten, die bereits Ende Mai, Anfang Juni, ihre ersten Sprünge machten. Dieser Tatsache ins Auge zu sehen war schon schwer, während wir lange warten mussten“, erklärt er. Im Sommer und Herbst verbrachte das amerikanische Team viel Zeit in Slowenien, wo sie laut Andrew Urlaub voraussichtlich im Winter ihr Quartier beziehen werden. Von dort soll es dann zu den jeweiligen Wettkampf-Stationen gehen. Zeit in der Heimat wird der junge Amerikaner, der ironischerweise aus einer Wrestling-Familie stammt, in den nächsten Monaten kaum verbringen. „Ich tue dies, um machen zu können, was ich liebe. Daher wird es mich wenig beeinflussen. Das ist nun mal die Welt, in der wir gerade Leben“, erklärt er. Da ist es hilfreich, dass ihm zumindest Kampfstärke bereits im Blut liegen sollte. Für Urlaub sowie seine Kollegen Decker und Gasienica wird es wohl vorrangig darum gehen, sich unter den besten 20-30 im COC zu etablieren. Doch auch bei den Weltcups werden wir von Zeit zu Zeit den ein oder anderen US-Boy neben Bickner sehen.

Auf den Schanzen dieser Welt und in den sozialen Netzwerken zuhause: Boyd-Clowes will die Top-30 attackieren

Der einzige wettbewerbsfähige Springer aus Kanada, war in den letzten Jahren der 29-Jährige Mackanzie Boyd-Clowes. Mit mal lustigen, mal politischen und gesellschaftskritischen Posts, hat sich dieser auch neben der Schanze einen Namen erarbeitet. Böse Zungen könnten behaupten, dass der Kanadier zwar in den sozialen Netzwerken Weltklasse, jedoch auf der Schanze lediglich Mittelklasse ist. Ganz richtig ist dies aber natürlich nicht: Aus seinen schon immer begrenzten Möglichkeiten als kanadischer Springer, holt er seit Jahren extrem viel heraus. So gibt es in seinem Heimatland nach der Stilllegung der Schanzenanlagen von Calgary keine Schanze mehr, auf der Boyd-Clowes im Sommer trainieren kann. „Heute vor 2 Jahren habe ich wahrscheinlich für immer meine letzten Sprünge in gemacht. Wie ist es, ein Skispringer zu sein, der nirgendwo Skispringen kann? Seltsam, wahrscheinlich manchmal irgendwie traurig. Ich habe das Glück, dass es so viele gibt, die daran arbeiten, dass ich trotz der Rückschläge weiterhin auf der Schanze wetteifern kann“, so der Kanadier Ende September auf seinem Instagram-Kanal. In seiner zehnjärigen Weltcup-Laufbahn gelang ihm mit Rang neun beim Skifliegen am Kulm bislang ein Top-10-Platz. Ansonsten kämpfte er meist um den Einzug in den zweiten Durchgang. Dies gelang ihm bei den Olympischen Spielen bereits dreimal. Während es in Sotschi zu Rang 25 reichte, erzielte er vier Jahre später in Pyeongchang die Plätze 26 und 21. In der Saison 2019/20 gelang ihm mit Rang 17 in Engelberg ein kleines Ausrufezeichen. Zuletzt bewies er auch im Rahmen der Raw-Air, dass er jederzeit unter die besten 30 der Welt springen kann. Genau das wird auch das Ziel in der kommenden Saison sein. Um dieses zu erreichen gilt es vor allem, seine oft guten Trainingsleistungen auch in den Wettbewerb zu bringen. Beim COC in Wisla gelang dem 29-Jährigen dies mit den Rängen 20 und 22 noch nicht so ganz, wenngleich Resultate zu dieser Jahreszeit nicht überbewertet werden sollten.

Neben Boyd-Clowes besitzt lediglich Metthew Soukup über Weltcup-Erfahrung. Im letzten Winter belegte dieser die Ränge 46 und 48 in Sapporo und 51 am Kulm. Der Weg nach oben dürfte für den 23-Jährigen sehr schwierig werden. Mit einem siebten Platz beim COC in Frenstatt konnte er zwar im Sommer 2019 einmal kurz aufzeigen, verpasste jedoch auch in der „2. Liga des Skispringens“ ansonsten immer die Top-20. Zuletzt belegte er beim Sommer-GP in Wisla die Plätze 45 und 39. Zum Team gehören mit Joshua Maurer, Nigel Lauchlan und Stephane Tremblay noch drei weitere Springer. Im Weltcup werden sich die Kanadier jedoch voll und ganz auf ihren Vorflieger verlassen müssen.

Neue Schanzenanlagen und eine mögliche Olympiabewerbung: Kann das Skispringen in Kanada gerettet werden?

Nach dem Super-Gau aus dem Jahr 2018, als die Schanzenanlage von Calgary stillgelegt wurde, gibt es aktuell zumindest wieder Hoffnung für die Wiederbelebung des kanadischen Skispringens. So setzt sich insbesondere der neue Renndirektor Sandro Pertile dafür ein, Teams wie Kanada im Skisprung-Zirkus zu erhalten. „Geographische Expansion ist notwendig. Ich möchte die Anzahl der Länder erhöhen, die an Pokalwettbewerben teilnehmen“, erklärte Pertile gegenüber skijumping.pl. Demnach folgten auch Gespräche mit kanadischen Vertretern. „Ich wurde von Sandro Pertile kontaktiert, der auch mit Nik Petrov, dem Direktor für Skispringen in Kanada, sprach. Es ging um die Entwicklungsrichtung dieser Disziplin in unserem Land. Der kanadische Verband ist bereit, uns zu helfen“, verrät der ehemalige kanadische Springer Jean Séguin. Ansetzen wollen die Verantwortlichen vor allem im Nachwuchs-Bereich, wo es gilt junge Talente nach und nach heranzuführen. „Wir möchten mit einem „Bump-to-Jump-Programm“ beginnen, bei dem kleine Hügel gebaut werden, die im Laufe der Zeit durch größere ersetzt werden. Vielleicht können wir Plastikmatten aus Calgary bekommen“, so Séguin hoffnungsvoll. Mögliche Standorte für dieses Projekt wären die Pisten von Lac des Fées und Camp Fortune am Stadtrand von Ottawa.

Wieder aktuell ist auch die Idee, im Winter 2030 Olympische Winterspiele abzuhalten. Diese war zunächst, angesichts der Corona-Pandemie, zur Seite gelegt worden. Da allerdings in Vancouver, angesichts der Spiele 2010, bereits vieles an Infrastruktur besteht und es mit Sapporo aktuell nur einen Gegenkandidat gibt, sehen die Kanadier ihre Chance gekommen. Für das Skispringen in Kanada wäre dies die zweite große Chance, nachdem vor zehn Jahren ein positiver Effekt vollständig ausblieb.

Quellen: berkutschi.com, skijumping.pl, usanordic.org

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