Foto: Konstanze Schneider

Bei den Nordischen Skiweltmeisterschaften 2023 in Planica feierte Luisa Görlich gemeinsam mit Anna Rupprecht (inzwischen Anna Hollandt), Selina Freitag und Katharina Althaus (inzwischen Katharina Schmid) ihren bislang größten Karriereerfolg: die Goldmedaille im Teamspringen der Damen. Rund elf Monate später zog sich die 26-Jährige beim Weltcupfinale der Saison 2023/24 an gleicher Stelle einen Kreuzbandriss zu, durch den sie bis heute eine Zwangspause im Weltcup einlegen muss. Skispringen-News.de hat mit der DSV-Athletin über ihren Sturz, den Heilungsprozess des Knies sowie ihren persönlichen „Comeback-Fahrplan“ gesprochen.

Planica, 21. März 2024: Nach einer guten Wintersaison 2023/24 mit einigen Top-15 Ergebnissen kommt Luisa Görlich beim Weltcup-Finale der Damen in Planica während des Probedurchgangs zu Fall und zieht sich einen Riss des Kreuzbandes im rechten Knie zu. Bereits 17 Stunden später wird sie in München erfolgreich operiert und begibt sich in den langen Regenerations-/ Rehabilitationsprozess. Einen Weg, den Görlich schon einmal bestreiten musste, denn 2018 erlitt sie in Falun während eines Wettkampfwochenendes im COC ebenfalls einen Kreuzbandriss.

Skispringen-News.de: „Hallo Luisa, wie geht es Dir aktuell?“

Luisa Görlich: „Mir geht es sehr gut. Das Knie macht, was es soll, und auch sonst kann ich mich nicht beschweren :-).“

Skispringen-News.de: „Merkst Du noch etwas von der Verletzung?“

Luisa Görlich: „Ich habe mit dem Knie echt Glück. Es ist ganz, ganz selten, dass ich noch etwas hiervon spüre. Wenn man neue Bewegungen macht, mal ganz am Anfang aber im Alltag schränkt es mich gar nicht ein.“

Skispringen-News.de: „Wie lange hat es gedauert, bis der Schock verarbeitet war und wie bist Du auch mental mit der Situation umgegangen?“

Luisa Görlich: „Mein Glück war, dass alles recht schnell ging. Zwischen Kreuzbandriss und OP lagen gerade einmal 17 Stunden, d.h. man hatte gar nicht so viel Zeit, um sich überhaupt irgendwelche Gedanken zu machen. Bis diese angekommen sind, war alles schon wieder ganz :-). Danach habe ich mich versucht, auf das Knie und die Aufbauphase insgesamt zu konzentrieren, daher war es sowohl körperlich als auch mental vollkommen ok. Klar, körperlich hat es anfangs etwas gedauert, vor allem unmittelbar nach der OP, als ich die ersten 2-3 Wochen nur zu Hause herumliegen und mich mit den Krücken nicht so viel bewegen konnte. Aber von der mentalen Seite her war es schon wieder ganz gut, weil ich wusste, dass man schon wieder dabei ist daran zu arbeiten, dass alles wieder funktioniert.“

Skispringen-News.de: „Wie ging es nach der Bergung an der Schanze damals weiter?“

Luisa Görlich: „Direkt nachdem es passiert ist, war ich im Medizinerzelt, wo alles vorbesprochen wurde. Unser Teamarzt, der direkt vor Ort war, hat für den nächsten Morgen einen MRT-Termin ausgemacht. Es wurde festgelegt, dass bei Bestätigung eines Kreuzbandrisses im Anschluss direkt operiert wird. Und so war es dann auch, um 7:00 Uhr fand der MRT-Termin statt und um 08:50 Uhr lag ich bereits auf dem OP-Tisch. Es ging also extrem schnell.

Ganz anders im Übrigen als bei meinem ersten Kreuzbandriss vor sechs Jahren. Hier hatte es eine Woche gedauert, bis wir überhaupt richtig mitbekommen haben, dass es ein solcher ist. Bis zur eigentlichen OP war dann ein Monat vorüber. Zu diesem Zeitpunkt war ich beim jetzigen Kreuzbandriss schon in der Reha. Es ist also schon ein großer Unterschied gewesen.“

Skispringen-News.de: „Hattest Du durch die Erfahrung aus dem ersten Kreuzbandriss schon an der Schanze Rückschlüsse gezogen, dass es auch dieses Mal einer sein könnte?“

Luisa Görlich: „2018 habe ich es zunächst gar nicht gemerkt, weil ich nicht gestürzt war. Aber hier war es mir recht schnell klar, denn wenn das Kreuzband reist, knackt es – und das habe ich gehört! Daher war ich mir mit unserem Teamarzt recht schnell einig, dass es das Kreuzband sein müsste. Aber klar, man braucht noch die Gewissheit mittels MRT.“

Skispringen-News.de: „Hast Du Dir den Sprung im Nachgang noch einmal angesehen und bist auf „Fehlersuche“ gegangen oder hast Du Dich davon komplett distanziert?“

Luisa Görlich: „Tatsächlich hätte ich ihn mir, was die Landung betrifft, extrem gerne angeschaut. Wir hatten aber von diesem Sprung nur den Schanzentisch und den Flug auf Video. Das heißt, technisch gesehen, hätte ich zwar schon Fehler sehen können aber nichts, was auf den Sturz hinweist. Somit habe ich ihn mir nicht angesehen, weil das eigentliche Problem im Landebereich nicht darauf zu sehen war. Wenn es verfügbar gewesen wäre, hätte ich es mir aber gerne angeschaut, weil ich dann festgestellt hätte, ob mein Gefühl, wie das Ganze abgelaufen ist, auch bildlich zusammengepasst hätte.

Ich glaube persönlich, dass es nicht wirklich Fehler gab, weil direkt beim Landen, als das Knie den Boden berührt hat, es schon kaputt gegangen war. Es stellt sich daher die Frage, ob es vielleicht bei einem vorherigen Sprung schon beschädigt wurde. Das reicht ja dann meistens leider schon aus. Aber man wird es nicht mehr erfahren.“

Skispringen-News.de: „Kamen Dir jetzt nach deinem zweiten Kreuzbandriss (vor allem, weil du den langen Weg zurück kennst) irgendwelche Zweifel an einem Comeback?“

Luisa Görlich: „Nach meinem ersten Kreuzbandriss habe ich eigentlich immer zu mir gesagt: Einmal ist keinmal, beim zweiten Mal mache ich es aber nicht mehr. Da aber nach dem zweiten Kreuzbandriss alles so schnell ging und man sich wenig Gedanken drüber machen konnte, wie es weitergeht, gab es tatsächlich nie den Punkt, dass ich mal gesagt habe, ich lasse es. Man muss auch dazu sagen, dass ich großes Glück habe, dass der Operateur solch gute Arbeit geleistet hat und mein Knie wirklich vorzeigbar ist. Es war von Anfang an alles ziemlich gut, ich konnte schnell wieder alles machen und habe auch jetzt gar keine Probleme. Es hat also nirgendwo in dieser Kette gestockt und ich hatte auch nie den Eindruck, dass es nicht funktioniert und ich überlegen müsste, ob es weitergeht oder nicht. Das Knie ist vom Gefühl her auch so gut, dass ich diese Saison nicht als Übergang ansehe, sondern gucke, was passiert und auch noch versuchen möchte zu springen. Dann schauen wir mal, was bei herauskommt.“

Skispringen-News.de: „Abgesehen vom Zeitpunkt der OP, wie sind die beiden Kreuzbandrisse auch im Heilungsprozess miteinander zu vergleichen?“

Luisa Görlich: „Der erste Kreuzbandriss ist 2018 in Falun bei einem COC-Wettkampf, den ich gewonnen hatte, passiert. Ich bin dort nicht gestürzt, aber habe gemerkt, dass mein Schienbein wehtut. Erst eine Woche später haben wir dann festgestellt, dass es das Kreuzband ist und ich bin beim Finale in Oberstdorf nicht mehr mitgesprungen. Ich musste dann mein Abitur noch abschließen und bin anschließend operiert worden.

Und dieses Mal war direkt klar: ok, das Knie ist kaputt! Man musste nur gucken, was genau. Das war der Unterschied. Hier ging also alles deutlich schneller, was man auch merkt. Man sagt ja, dass Kreuzbandrisse innerhalb von 24 Stunden operiert werden sollen oder innerhalb von einem Monat, wenn die Schwellung zurück ist. Ich habe festgestellt, wenn man innerhalb von 24 Stunden operiert, es einfach brutal bei der Heilung hilft. Also hier den Unterschied im Regenerations-/Rehabilitationsprozess zwischen den beiden Knien zu spüren, war für mich echt faszinierend. Das hätte ich so nie gedacht, aber es ist schon eine ganz andere Hausnummer im positiven Sinne.“

Skispringen-News.de: „Hast Du seither noch mehr Respekt vor der Schanze in Falun oder künftig vor Planica, wenn Du dort hinkommst oder beschäftigt es einen „Vor-Ort“ dann nicht mehr?“

Luisa Görlich: „Ich war ehrlich gesagt seitdem nicht mehr in Falun, auch weil dort kein Wettkampf mehr für uns war. Aber ich wäre gerne nochmal dort, weil es einfach auch eine schöne Anlage ist. Ich glaube, man kann es schon differenzieren, weil die Schanze in dem Sinne nichts mit dem Sturz oder der Verletzung zu tun hat. Ich glaube, wenn es jetzt ein anderer Sturz gewesen wäre, wie z.B. damals bei Daniel-Andre Tande auf der Flugschanze, ist es doch nochmal etwas ganz anderes. Aber hier weiß ich, es lag nicht an der Schanze selbst, sondern hatte irgendwelche anderen Ursachen oder Probleme, die vorher waren. Und vielleicht hilft es auch, sich an die schönen Momente zu erinnern, die man mit dem jeweiligen Ort verbindet. Wie bei mir damals in Planica das WM-Gold mit dem Team.“

Skispringen-News.de: „Kannst Du uns noch einen Einblick geben, wie der Weg für Dich nach der OP, die im März 2024 stattfand, ausgesehen hat?“

Luisa Görlich: „Nach der OP war ich noch drei Tage im Krankenhaus und habe drei Wochen zu Hause fast nur im Bett verbracht, weil mit den Krücken keine großartige Bewegung möglich war. Die Physiotherapie hatte zwischenzeitlich begonnen und ich habe versucht, das zu machen, was man machen konnte. Nach sieben bis acht Wochen war ich dann für vier Wochen in Reha, was ziemlich gut fürs Knie aber auch den Kopf war. Man macht zwar recht viel in der Physio, aber in der Reha probiert man dann immer noch Sachen aus, die man sich nicht ganz so traut. Von daher hilft es dem Kopf zu sehen: ok, das Knie ist eigentlich wieder ganz und es funktioniert wieder so, wie man es kennt. Von Juli bis Mitte September habe ich in Oberstdorf dann alleine mit einem Trainer ein Aufbautraining absolviert. Und seit Ende September trainiere ich wieder spezifischer mit den anderen Mädels.“

Skispringen-News.de: „Wie sieht Dein persönlicher, weiterer „Comeback-Fahrplan“ aus?“

Luisa Görlich: „Im Normalfall sollte man nach einem Kreuzbandriss ungefähr ein Jahr warten, aber es ist auch immer ein wenig Athleten abhängig. Bei mir war es gut, dass es „nur“ das Kreuzband war und nicht noch Bänder oder sonstiges betroffen waren. Zudem verhält sich das Knie gut und stabil. Daher ist der weitere Plan, dass ich im Dezember wieder sozusagen an das Gerät herangeführt werde, auf die „Langläufer“ gehe und mich auf Stabilität und Landung vorbereite. Mal gucken, wie sich das Knie dann verhält. Wenn es gut läuft, geht’s im Januar wieder auf die Sprungski und ich kann mit 90- oder 60-Meter Schanzen anfangen. Dann gucken wir, ob das Knie hält. Generell mache ich mir keinen Stress, aber ich möchte schon gerne im Winter noch zu Sprüngen kommen und nicht die ganze Saison pausieren. Sonst müsste ich wieder bis zum Sommer warten und dann zieht sich das echt lange.“

Skispringen-News.de: „Wie schwer ist es für Dich nicht ungeduldig zu werden, gerade auch wenn ein Höhepunkt, wie z.B. die WM in Trondheim ansteht, sondern dem Körper die Zeit zu geben, die er braucht?“

Luisa Görlich: „Es ist gar nicht so einfach, vor allem weil das Knie nach vier bis fünf Monaten echt gut war und ich alles ohne Schmerzen machen konnte. Dann zieht sich das Ganze schon sehr, auch im Hinblick darauf, endlich den nächsten Schritt machen zu dürfen. Aber wie gesagt, ich mache mir keinen Stress und versuche es mit der nötigen Ruhe anzugehen, die es braucht. Im besten Fall gehe ich auf die Skier und es funktioniert. Im schlimmsten Fall braucht es noch ein bisschen länger. Aber das Ziel ist natürlich, dass man so anfängt, dass man nicht nochmal den ganzen Spaß durchmachen muss. Denn wenn es ein drittes Mal auftaucht, will dir dein Körper damit auch etwas signalisieren. Also es ist nicht einfach, aber ich habe gute Mittel, um mich abzulenken.“

Skispringen-News.de: „Zum Abschluss noch eine Frage abseits der Verletzung. Wie zufrieden warst Du bis dahin mit deiner Weltcupsaison 2023/2024?“

Luisa Görlich: „Es war im Grunde genommen eine gute Saison, auch wenn das Ende natürlich nicht ganz so cool war. Ich hatte recht viele Top-15 Platzierungen und kann von dieser Seite aus sehr viel positives mitnehmen. Auch der zehnte Rang in Garmisch-Partenkirchen hat mich persönlich sehr gefreut. Es ging für mich also in die richtige Richtung, vor allem auch an der Großschanze. Und das habe ich mitgenommen.“

Skispringen-News.de: „Vielen Dank für dieses sehr offene Interview und die interessanten Einblicke. Wir, aber auch die gesamten Skisprung-Fans, wünschen Dir eine gute, restliche Genesung und natürlich auch viel Erfolg bei Deinem Weg zurück auf die Schanze.“

Luisa Görlich: „Sehr gerne und bis bald!“

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