Es ist Sonntagnachmittag, der 18. November 2018 und das erste Weltcupspringen der neuen Saison im polnischen Wisla ist beendet. Gewonnen hat jedoch nicht einer der Favoriten wie etwa Stefan Kraft oder Kamil Stoch, sondern der Überraschungssieger der Qualifikation vom Freitag: Jewgeni Klimov aus Russland. Mit einem Sieg des Russen hatten nur wenige gerechnet. Hätte man am Morgen auf Klimov als Tagessieger getippt, wäre man am Abend wahrscheinlich ein Stück reicher nach Hause gegangen. Der Sieger hat mit seinem Sprung nicht nur viele Leute überrascht, sondern sich auch als erster russischer Weltcupsieger in die Geschichtsbücher eingetragen.
Doch dieser Sieg kam nicht aus dem nichts, er hatte sich angekündigt. Bereits im Sommer-Grand-Prix desselben Jahres konnte er seinen einen Sieg erringen und sogar die Gesamtwertung, vor dem deutschen Karl Geiger, für sich entscheiden.
Kam es mit diesen Top-Ergebnissen zum Aufschwung für Klimov und somit das gesamte russische Skispringen? Wohl eher nicht. Bereits am folgenden Wochenende in Finnland musste der Russe, nach zwei Plätzen außerhalb der Top-25, sein gelbes Trikot des Weltcupführenden wieder abgeben. Im Verlaufe des Winter konnte er noch einmal auf das Podest springen und wurde am Ende zwölfter im Gesamtklassement.
Und auch im folgenden Weltcupjahr (2019/20) konnte der Frontmann der russischen Mannschaft den Weltcupsieg nicht bestätigen und kam über einen siebten Platz als bestes Ergebnis nicht hinaus. Mit dem 31. Platz der Weltcupwertung war er jedoch noch mehr als dreißig Plätze besser als seine Teamkollegen. Während Klimov in zwölf der 27 Einzelwettkämpfe in die Top-30 kam und somit Punkte sammelte, schafften es die verbleibenden Mitglieder des Teams in maximal einem Wettkampf in die Punkte und fielen somit deutlich zurück.
Die Wettbewerbe im Team ließen ebenfalls Luft nach oben. Das Ziel dieser Wettkämpfe: Das Erreichen der zweiten Runde und somit der achte von zehn Plätzen. Dies gelang ihnen in nur zwei der fünf Wettkämpfe, wobei in diesen Springen auch nur neun der zehn Teams teilnahmen.
Gibt es Nachwuchs, auf den man in den nächsten Jahren hoffen kann?
Um es kurz zu machen: Nein. Die lange Antwort dazu gibt es jedoch auch. Ein gut aufgestelltes Team besteht aus erfahrenen Springern, welche konstant ordentliche Ergebnisse liefern und als Vorbilder der Jüngeren dienen können, und talentierten Newcomern, welche im Continental-Cup und Junioren-Meisterschaften punkten konnten und sich nun im Weltcup beweisen wollen. Bei den Russen sieht es jedoch anders aus. Die zwei Springer Wassiljew und Trofimow, welche neben Klimov im vergangen Jahr Punkte erzielen konnten, sind 40 und 30 Jahre alt und somit nicht mehr die Jüngsten. Und auch von den anderen Athleten, welche letzte Saison im Weltcup eingesetzt wurden, waren nur zwei von acht Springern unter 25 Jahre alt. Weiter findet sich unter den Top-50 des Continental-Cups der vergangen Saison kein Springer aus Russland. Mit einem neuen, vielversprechenden Talent der Russen im nächsten Jahr ist also nicht zu rechnen.
Was ist diese Saison von der russischen Mannschaft zu erwarten?
Wenn Klimov sich stabilisiert und an die Ausreißer nach oben der letzten Jahre anknüpfen kann, ist er ein Anwärter auf konstante, gute Platzierungen im Weltcup und die Top-15 des Gesamtweltcups. Sonst sieht es jedoch eher mau aus. Das restliche Team ist weit unter dem Niveau des Teamkollegen und der Weltspitze zu erwarten. Ein konstantes Springen in die Top-8 bei den Teamwettkämpfen in der kommenden Saison wäre ein großer Erfolg für die Mannschaft und ein Schritt in die richtige Richtung. In den kommenden Jahren ist jedoch nicht mit starken Russen zu rechnen, auch aufgrund des fehlenden Top-Nachwuchses.