Die letzten Nordischen Skiweltmeisterschaften in Planica 2023 liefen aus Sicht des DSV traumhaft. 3x Gold, 1x Silber und 2x Bronze hieß es am Ende für die deutsche Mannschaft – eine mehr als beeindruckende Ausbeute. Dementsprechend viel gilt es nun in Trondheim zu verteidigen. Mit Katharina Schmid, Selina Freitag und Agnes Reisch hat die Damen-Mannschaft von Bundestrainer Heinz Kuttin gleich drei heiße Eisen im Feuer. Bei den Herren darf man unterdessen gespannt sein, wieviel die Wettkampfpause am kommenden Wochenende sowie die letzten Trainingsvorbereitungen bringen werden, um wieder passend in Form zu kommen.
„Wir haben in Trondheim sehr viel zu verteidigen“, schildert uns Selina Freitag im Rahmen des Weltcupwochenendes in Willingen. In der Tat macht der Blick zurück auf die Weltmeisterschaft in Planica aus deutscher Sicht sehr viel Spaß. Vor allem bei den Wettbewerben auf der Normalschanze waren die DSV-Adler Medaillengaranten. Katharina Schmid setzte sich bei dem Damen durch und gewann im Einzel die Goldmedaille. Bei den Herren sicherte sich Andreas Wellinger im Einzel Silber und Karl Geiger Bronze. Gekrönt wurde das Ganze noch einmal durch die Goldmedaillen des Damenteams (Katharina Schmid, Selina Freitag, Luisa Görlich und Anna Hollandt) sowie im Mixed-Wettbewerb (Selina Freitag, Karl Geiger, Katharina Schmid, Andreas Wellinger). Man konnte mit Fug und Recht behaupten, dass die Normalschanze in Planica an diesen Tagen der deutschen Mannschaft gehörte. Auf der Großschanze folgte dann im Einzel der Frauen noch eine weitere Bronzemedaille durch Katharina Schmid.
„So etwas wie damals in Planica kann man nur schwer toppen, es war einfach grandios! Ich bin direkt so gut reingestartet, habe insgesamt vier Medaillen in vier Wettkämpfen erzielt, dreimal davon Gold. Ich glaube, wenn ich da annähernd wieder hinkomme, wäre ich schon ganz zufrieden“, so Schmid.
Nach den jüngsten Eindrücken bringen die DSV-Damen trotz der starken internationalen Konkurrenz ideale Voraussetzungen mit, um auch in Trondheim wieder ähnlich erfolgreich abzuschneiden. In äußerst starker Form präsentierte sich am letzten Weltcupwochenende Selina Freitag, die zwei zweite Plätze im slowenischen Ljubno holte und ohnehin schon eine ganz stabile Saison vorzuweisen hat, was ihr dritter Rang im Gesamtweltcup beweist. Auch sie blickt gerne auf die letzte WM in Planica zurück.
„Es war eine geile WM, die richtig viel Spaß gemacht hat. Bis auf die Großschanze, die ich ein bisschen verdrängt habe, weil das Wetter nicht so mitgespielt hatte und ich noch dazu schlechte Sprünge gemacht habe. In Trondheim wird es nicht leicht, aber wir werden unser Bestes geben und hoffen, dass wir wieder Medaillen mit nach Hause nehmen dürfen“, so Freitag, die in Planica wie ausgeführt zwei Goldmedaillen mit dem Team erreichte, aber als Vierte im Einzel ganz knapp die Medaillenränge verpasste. Nach den Eindrücken der bisherigen Saison ein realistisches Ziel für Trondheim.
„Ich komme mit der Anlage in Trondheim ganz gut klar. Wir waren im Sommer dort zum Springen, beim COC und zum Training allgemein. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die Schanzen kommen mir entgegen und die Große ist auch eine Fliegerschanze. Ich denke, wir stehen gut da“, so Freitag weiter.
Neben ihr trumpfte aber auch ihre Teamkollegin Agnes Reisch in den letzten Wochen immer mehr auf. In Lake Placid gelang ihr jüngst erstmalig der Sprung auf das Podium. Auf Ljubno verzichtete sie zuletzt bewusst aus Gründen der Belastungssteuerung. „Erstmal muss ich gesund bleiben. Die letzten Jahre stand ich mir mehr selbst im Weg als irgendwelche anderen Personen. Ich muss gesund zur WM fahren, locker bleiben, die Sprünge zeigen, die ich kann, und vor allem nicht verkopfen. Ich weiß, ich habe die letzten Wochen gute Ergebnisse erzielt, aber es ist nicht selbstverständlich, dass die nächsten Wochen auch so laufen werden. Von daher muss ich einfach auf mich schauen, jeden Tag mein Bestes geben und auf meinen Körper hören, was er sagt, wie er zu mir spricht und das mit den Coaches besprechen, um den richtigen Weg zu finden“, übt sich Reisch in Zurückhaltung.
Die dritte große Medaillenhoffnung ist (wieder einmal) Katharina Schmid. Nach einem sensationellen Saisonstart mit mehreren Weltcupsiegen und der zwischenzeitlichen Führung im Gesamtweltcup zeigte die Formkurve der Oberstdorferin seit Zao jedoch wieder etwas nach unten. „Ich wusste von vornherein, dass Zao nicht einfach wird. Die Schanze liegt mir nicht, der Anlauf ist immer ein bisschen schwierig und wenn das Selbstvertrauen nicht ganz so da ist, wird es natürlich noch schwieriger“, schilderte sie uns damals im Interview. Doch auch bei den darauffolgenden Weltcupstationen musste Schmid vereinzelt Rückschläge hinnehmen. „Es fehlt so ein bisschen die Leichtigkeit und die Selbstverständlichkeit. Das nagt so ein bisschen am Selbstvertrauen und ich hoffe, dass ich es mir wieder zurückholen kann.“
Auf Trondheim angesprochen, erklärt sie uns: „Ich freue mich schon mega. Die Schanzen sind beide sehr cool. Wir waren im Sommer oben, haben einen Lehrgang mitgemacht und waren mit dem COC dort. Es hat sehr viel Spaß gemacht“, so Schmid, die Mitte September beide Einzelwettbewerbe in Trondheim für sich entscheiden konnte. Für sie wird es in erster Linie darauf ankommen, wieder konstant ihre Top-Sprünge abzuliefern. Sollte ihr das gelingen, kommt sie genauso wie Freitag und Reisch für die Medaillen in Frage.
Auf Juliane Seyfarth und Luisa Görlich wird es dann vor allem im Teamwettbewerb der Damen ankommen. Zwischen ihnen wird vermutlich der vierte Startplatz ausgesprungen werden. Seyfarth liefert bisher eine sehr konstante Saison im Bereich der Top-15 ab, Görlich kehrte in Ljubno nach ihrer Verletzungspause wieder zurück ins Team und erfüllte mit den Plätzen 12 und 13 direkt die WM-Norm. Spannend verspringt nicht nur der Kampf um diesen vierten Startplatz im Team, sondern auch die Vergabe der Mixed-Team Plätze. Zuletzt war Freitag stetig gesetzt, während Reisch und Schmid im Wechsel pausierten. Wer in Trondheim die Nase vorne haben und mit den Männern gemeinsam auf Medaillenjagd gehen wird, wird man dann sehen.
Und bei den Herren? Hier sorgte Andreas Wellinger mit seinem Top-10 Platz in Sapporo immerhin wieder für einen kleinen Lichtblick. Auch wenn in den Einzelwettbewerben Medaillen gegen die Athleten der anderen Top-Nationen (vor allem aus Österreich, Norwegen und Slowenien) derzeit schwer werden dürften, ist zumindest im Teamwettbewerb und vor allem im Mixed einiges möglich. Doch woran liegt es eigentlich nach dem starken Saisonstart?
Pius Paschke beschreibt die Situation wie folgt: „Wo genau der Flow verloren gegangen ist, ist natürlich schwer zu sagen. Wenn man wüsste, woran es liegt und wie es wieder funktioniert, würde es jeder machen. Aber es geht nicht mehr ganz so leicht von der Hand, sondern muss sich erst wieder dorthin arbeiten. Und bei mir kommt hinzu, dass ich mich nach einem schlechteren ersten Durchgang emotional nicht so im Griff habe, dass ich locker an den zweiten Versuch herangehe. Ich muss lernen, so etwas direkt abzuhaken und mich wieder bestmöglich für den zweiten Sprung bereit zu halten. Das ist mir zuletzt nicht so gelungen.“
Im Hinblick auf die WM sagt der Kiefersfeldener: „Mir taugt die Schanze sehr in Trondheim und wenn man da hoch fährt, ist es wieder etwas ganz anderes. Man fängt wie jede Woche im Prinzip wieder bei Null an. Und auch als es super gelaufen ist, habe ich gesagt, dass man sich jede Woche neu vorbereiten muss, daran hat sich nichts verändert.“ Doch ob es wieder so schnell gehen kann bleibt abzuwarten. Ryoyu Kobayashi hat mit zwei Weltcupsiegen in Sapporo ein ähnliches Kunststück hingelegt. Vielleicht ein gutes Vorbild für die deutschen Athleten beim Kampf zurück an die Weltspitze.
Karl Geiger und Philipp Raimund, die zuletzt eine Wettkampfpause eingelegt und zu Hause trainiert haben, werden sicherlich an ihrer Konstanz gearbeitet haben. Man darf gespannt sein, ob es sich mit guten Auftritten bezahlt machen wird.
Der fünfte DSV-Adler im Bunde ist Stephan Leyhe, der den Vorzug vor etwa einem Felix Hoffmann, Constantin Schmid oder Markus Eisenbichler erhalten hat. Sein größtes Problem bisher: die Performance im Wettkampf. „In der Quali und im Training habe ich schon öfter gezeigt, dass ich mithalten kann. Aber im Wettkampf hat es leider nicht funktioniert. Daher gab es für mich nach Garmisch-Partenkirchen auch den Schritt zurück in den COC. Dort lief es für mich schon besser als im Weltcup, aber immer noch nicht ganz so konstant. Da der Trubel drum herum im COC fehlt und man sozusagen für sich ist, konnte man wieder etwas an der Form arbeiten. Das habe ich genutzt“, so Leyhe, der in Sapporo immerhin den Weg zurück in die Top-30 schaffte.