Die Saison 2020/2021 ist Geschichte. Was bleibt, sind vor allem die starken Ergebnisse von Markus Eisenbichler und Karl Geiger. In der Breite hat sich das deutsche Team aber schwächer präsentiert.

Mit dem Weltcup-Finale im slowenischen Planica ist eine sonderbare Saison im Zeichen der Corona-Pandemie zu Ende gegangen. Vier Monate, die für alle Verantwortlichen eine echte Härteprobe waren. In dieser Situation ist der Rückblick und die Einordnung der Leistungen des DSV noch etwas schwerer als sonst. Trotzdem bleiben die Zahlen und Fakten – und die sprechen auf den ersten Blick für das deutsche Skispringen.

Eisenbichler mit bester Weltcup-Saison

Vor allem Markus Eisenbichler (30, TSV Siegsdorf) und Karl Geiger (28, SC Oberstdorf) haben einen Bärenanteil daran, dass Deutschland in der Nationenwertung am Ende hinter Norwegen (5429 P.) und Polen (4738 P.) mit 4361 Zählern den dritten Rang belegt. Alleine Eisenbichler steuerte in seiner besten Weltcup-Saison mit seinem zweiten Rang in der Gesamtwertung 1190 Punkte bei. Zweimal Gold gab es in den Team-Wettbewerben bei der Ski-WM in Oberstdorf, dazu Team-Silber und Einzel-Bronze bei der Skiflug-Weltmeisterschaft in Planica. Dritter in der Wertung beim Skifliegen und zwei Einzel-Tagessiege unterstreichen zudem die starken Leistungen des Siegsdorfers. „Ich bin sehr glücklich über die ganze Saison, bin rundum zufrieden und hab mir eine kleine Pause verdient“, so das Saison-Fazit von Markus Eisenbichler.

Geiger als Medaillen-Garant

Aber auch Karl Geiger muss sich mit Rang sechs (826 P.) in der Weltcup-Gesamtwertung nicht verstecken. Eine Corona-Zwangspause im Dezember verhinderte noch weitere Zähler. Doch auch ohne diese Punkte kann der Oberstdorfer seine größten Erfolge vorzeigen – nämlich die zahlreichen Medaillen bei den Saison-Highlights. Schon bei der Skiflug-WM sicherte sich der 28-Jährige überraschend den Weltmeistertitel und legte im Team-Verbund noch Silber drauf. Die Weltmeisterschaft vor der eigenen Haustür in Oberstdorf sollte dann die Krönung werden. In allen Wettkämpfen (zweimal Gold in den Team-Wettbewerben, Silber auf der Normalschanze und Bronze auf der Großschanze) fuhr Karl Geiger Edelmetall ein. Und als krönender Abschluss folgte noch die kleine Kristallkugel im Skifliegen. „Ich brauche erst einmal ein paar Tage, um zu realisieren, was in den letzten Monaten passiert ist“, resümierte Geiger nach dem Saisonfinale via Instagram.

Bayern-Trio mit gemischten Gefühlen

Mit etwas Abstand blicken aber auch die bayerischen Kollegen, Pius Paschke (30, WSV Kiefersfelden), Severin Freund (32, WSV-DJK Rastbüchl) und Constantin Schmid (21, WSV Oberaudorf) auf eine Saison mit Höhen und Tiefen zurück. Wobei die meisten Höhen der drei genannten Springer wohl Pius Paschke verzeichnet. Rang 13 (514 P.) in der Weltcup-Gesamtwertung sind der stärkste Karriere-Winter des 30-Jährigen. Und auch im reiferen Wettkampfalter zeigt Paschke immer wieder neue Stärken. Dem Gold-Team in Oberstdorf wie auch der Silber-Mannschaft bei der Skiflug-WM gehörte Paschke bei. Auch seine persönliche Bestweite konnte Pius Paschke um weitere fünf Meter hochschrauben. Sie liegt nun bei 230 Metern.

Weiten, die auch Severin Freund in seinen besten Flug-Tagen erreicht hat. Nach Jahren mit zahlreichen Verletzungen musste der Bayerwald-Adler aber kleinere Brötchen backen. Die Teilnahme an der Ski-WM in Oberstdorf und vor allem das Team-Gold kann der 32-Jährige als ganz großen Erfolg verbuchen. Von der Rückkehr in die Weltspitze ist Freund mit Rang 29 (160 P.) aber noch ein gutes Stück entfernt. Hinter seinen eigenen Ansprüchen blieb in diesem Winter auch Constantin Schmid. Platz 30 in der Gesamtwertung und 151 Punkte sind schwächer als im Winter 2019/2020. Dennoch konnte Schmid punktuell aufhorchen lassen und vor allem seine Highlights beim Skifliegen in Planica setzen. Auch der Oberaudorfer gehörte der Silber-Mannschaft bei der Skiflug-WM an.

Hamann hält Sachsen-Fahne hoch

Und damit setzte sich der 21-Jährige unter anderem im direkten Vergleich gegen den aktuell stärksten Sachsen durch – Martin Hamann (23, SG Nickelhütte Aue). Im Gesamtweltcup fuhr der 23-Jährige aber mit Rang 24 (216 P.) seinen bis dato stärksten Winter ein. „Wenn jemand im August gesagt hätte, dass das hier unter dem Strich dasteht, hätte ich das sofort unterschrieben. Aber mit der Zeit sind die Ansprüche auch gestiegen“, so Hamann über seine Saison. Im vergangenen Sommer hat sich der Altenbacher über den Continentalcup den Startplatz für das Weltcup-Team frühzeitig gesichert. In der Folge überzeugte der Sachse unter anderem mit Rang zehn in Klingenthal. Bei den Großereignissen blieb der 23-Jährige in den Team-Wettbewerben aber außen vor. Und bei der Weltmeisterschaft in Oberstdorf hätte sich Hamann außer Rang 24 von der Großschanze noch etwas mehr erwartet. Trotzdem überwiegt die Erkenntnis, dass sich Martin Hamann in den Weltcup rein gebissen hat.

Und damit hat der 23-Jährige einem anderen namhaften Sachsen so einiges voraus. Richard Freitag (29, SG Nickelhütte Aue) spielte über weite Strecken des Weltcup-Winters keine Rolle mehr. Einzig bei der Vierschanzentournee war Richard Freitag als Teil der nationalen Gruppe in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen mit dabei. Der ganz große Durchbruch gelang aber nicht. Rang 69 und nur vier Punkte sind die schwächste Ausbeute seit seiner ersten Weltcup-Saison 2009/2010. Noch bescheidener sah der Winter für Andreas Wellinger (25, SC Ruhpolding) aus. Nach einer komplexen Knieverletzung im Sommer 2019 schaffte der Olympia-Sieger zum Saisonstart den Sprung ins Team, verlor aber nach schwachen Leistungen während der Vierschanzentournee seinen Startplatz. Sechs Weltcup-Stationen hat Wellinger im abgelaufenen Winter bestritten, jedoch keinen Punkt für die Gesamtwertung eingefahren.

David Siegel weiterhin mit Schwierigkeiten

Und spätestens jetzt kristallisiert sich nun die Schwäche in der Breite des DSV-Teams. Sammelten im Winter 2019/2020 noch insgesamt neun Springer Wertungspunkte, so waren es in der abgelaufenen Saison nur sieben. 833 Punkte weniger in der Nationenwertung sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache (2020: 5194 P.; 2021: 4361 P.). Und trotzdem müssen die Probleme individuell betrachtet werden. Mit dem weltcuperfahrenen David Siegel (24, SV Baiersbronn) kämpft sich ein Springer nach langer Verletzungspause weiterhin zurück. „Es gibt noch unglaublich viele Baustellen. Bei der Beweglichkeit im Knie bin ich noch dran. Anfahrt und Absprung laufen auch noch nicht ganz zusammen“, erklärte David Siegel am Rande des Continentalcups in Brotterode.

Continentalcup-Athleten können sich nicht für den Weltcup empfehlen

Doch auch bei den anderen Springern, die vorwiegend im Conti-Cup unterwegs waren, lief es nicht rund. In der Winter-Periode konnten die DSV-Adler den Quotenplatz nicht einfahren. Als bestplatzierter Deutscher beendete Richard Freitag den Continentalcup-Winter als 19. (278 P.). Alle anderen deutschen Springer verpassten in der Gesamtwertung die Top 30 – und das aus ganz unterschiedlichen Gründen. Philipp Raimund (20, SC Oberstdorf) hatte zu Beginn der Sommervorbereitung mit Knieproblemen zu kämpfen und in der Folge lange Zeit sein optimales Set-up nicht gefunden. Auch Details in der Flugposition – wie beispielsweise die Haltung der Hände – änderte der 20-Jährige. Und solche Veränderungen brauchen eben Zeit, weshalb Raimund erst im zweiten Abschnitt der Saison besser ins Fliegen kam. „Ich habe viel aus der Saison gelernt. Ich bin nicht schlechter geworden, dafür aber erfahrener“, bilanzierte Philipp Raimund zum Saison-Ausklang.

Probleme im Sprung – Und auch ein Rücken zwickt

Zumindest etwas versöhnlich endete die Saison für die Athleten des SV Meßstetten, Adrian Sell (23) und Luca Roth (20). Beide konnten im russischen Chaikovsky ihre besten Conti-Cup-Resultate erfahren: Rang 14 bei Roth und Platz elf für Sell. Und trotzdem sind beide Athleten nicht wirklich zufrieden mit dem Corona-Winter. Bei Adrian Sell haperte vor allem der Fluss im Sprung. Und bei Luca Roth sorgte eine andere Baustelle für Probleme: „Ich krieg meine Kraft nicht so richtig auf die Schanze, die ich eigentlich habe. Dadurch habe ich etwas viel Oberkörper im Absprung. Und dann habe ich weniger Treibhöhe, oben über dem Eck.“

Technische Probleme bereits im Herbst, so lautet die Diagnose bei Moritz Baer (23, SF Gmund-Dürnbach). Doch auch im Winter konnte der 23-Jährige, der im Vorjahr vermehrt zu Einsätzen im Weltcup-Team kam, die Schwierigkeiten nicht lösen. Bleibt noch das Hindernis von Kilian Märkl (20, SC Partenkirchen) aufzulösen. Und das war definitiv kein angenehmes für den angehenden Polizisten: „Beim Start der Vierschanzentournee hatte ich einen Hexenschuss gehabt. Seither habe ich mit Rückenproblemen zu kämpfen.“

Schwache Junioren-WM – Individuelle Fortschritte sind aber zu erkennen

Etwas anders zu kämpfen, das hatten die beiden Junioren-Springer aus dem Schwarzwald, die ebenfalls Continentalcup-Punkte gesammelt haben: Claudio Haas (20, ST Schonach-Rohrharsberg) und Quirin Modricker (19, SC Hinterzarten). Für Haas, den amtierenden deutschen Juniorenmeister, verlief der Winter wie eine Achterbahnfahrt. Gut in die Saison reingekommen, dann zum Jahreshighlight, der Junioren-Weltmeisterschaft in Lahti, geschwächelt und im Abschluss wieder zugelegt. Mit Platz 36 im Einzel blieb der junge Schonacher weit hinter den Erwartungen. Doch die Probleme haben sich schon im Vorfeld der WM angedeutet. „Der Claudio ist mit dem Gewicht am unteren Limit, das zehrt am Körper“, erklärte Baden-Württembergs Landestrainer Rolf Schilli gegenüber der Badischen Zeitung (BZ) kurz vor der WM.

Und so sprang Quirin Modricker als bester Deutscher mit Rang 21 im Einzel in die Bresche. Überhaupt zeigte die Formkurve des Schopfheimers in diesem Winter wieder nach oben. Modricker hat an seiner Athletik gearbeitet und sich mit starken Resultaten im Alpen-Cup das Ticket für die JWM frühzeitig gesichert. Somit kann der Springer des SC Hinterzarten hinter seinen Winter ein grünes Häkchen machen. Wie auch Simon Spiewok (19, TuS Neuenrade). Auch er steigerte sich deutlich zum Vorjahr und holte den Startplatz bei der Junioren-WM, wo er im Einzel Rang 26 belegte. Beim eher durchwachsenen achten Platz im Team-Wettbewerb – mit Quirin Modricker, Claudio Haas und Eric Fuchs (19, SC Oberstdorf) – überzeugte Spiewok noch am ehesten mit seinen Sprüngen. Sein Plus: Er ist Jahrgang 2002 – wie auch der fünfte WM-Teilnehmer, Luca Geyer (18, WSV 08 Lauscha) und kann sich bei der kommenden JWM nochmal beweisen. Die Konkurrenz schläft aber nicht – und vor allem Österreich kann auf einen starken Jahrgang 2002 zurückgreifen, unter anderem mit David Haagen, Daniel Tschofenig und Elias Medwed.

Richtungsweisende Jahre stehen bevor

Es bleibt also die Erkenntnis, dass der DSV noch Luft nach oben hat. Oder wie der Meßstetter Luca Roth mal treffend bemerkt hat: „In jeder Gruppe fehlt so ein bisschen einer, der vorne weg springt. Gott sei Dank läuft es im A-Kader sehr gut. Markus Eisenbichler und Karl Geiger machen einen guten Job.“ Das alleine wird aber in Zukunft nicht ausreichen. Die Saison 2020/2021 zeigt, dass das deutsche Team nicht schlecht aufgestellt ist. Jedoch sind die schwächeren Ergebnisse in der Breite auch ein Warnschuss für die nächsten Jahre.

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