Erneut waren die Erwartungen an das deutsche Skisprungteam, allen voran Karl Geiger, im Vorfeld hoch. Auch zum 70. Jubiläum der traditionsreichen Vierschanzentournee konnten diese jedoch nicht erfüllt werden. Vor allem zum anschließenden Weltcup in Bischofshofen lief es für das deutsche Team alles andere als nach Plan. Hinzu kamen gleich zwei Disqualifikationen während der vergangenen zwei Wochen.

Mit Platz fünf in Oberstdorf startete Karl Geiger als der beste und aussichtsreichste DSV-Adler in die Vierschanzentournee 2021/22. Bereits in Garmisch-Partenkirchen war der Tournee-Traum für Karl Geiger jedoch mehr oder weniger ausgeträumt. Nach Windpech in beiden Wertungsdurchgängen, keinen hundertprozentig optimalen Sprüngen und bereits dem zweiten Sieg des Japaners Ryoyo Kobayashi schien der Griff nach dem Goldenen Adler aussichtslos. Hinzukam für Geiger, dass er am gleichen Tag zum Neujahrsspringen auch sein gelbes Leibchen als Führender des Gesamtweltcups an den Japaner abtreten musste. Die Folge war ein frustrierter Karl Geiger, wie man ihn nur selten an der Schanze erlebt.

Ob sich Geiger die Führung im Gesamtweltcup wiederholen kann, ist nur schwer abschätzbar. Nach aktuellen Stand könnte dies allerdings eher ein schwieriges Unterfangen werden, auch wenn er „nur“ 74 Punkte hinter dem Japaner zurückliegt. Sollte Kobayashi seine derzeitige Konstanz und Stärke beibehalten, so wird es für alle Beteiligten eine harte Nuss, die es bis Saisonende zu knacken gilt.

Eisenbichler bis zum Innsbruck-Ersatzwettbewerb im Rennen

Nach der windbedingten Absage von Innsbruck mussten schlussendlich zwei Tournee-Wettbewerbe in Bischofshofen stattfinden. Für Geiger war es mit Platz vier und einem Podestplatz (3.) beim Dreikönigsspringen zwar kein schlechter Abschluss, dennoch war ihm die Enttäuschung über seinen gesamten Tourneeverlauf anzumerken. Es wollte einfach nicht so laufen, wie erhofft.

Mit Markus Eisenbichler gab es nach dem Neujahrsspringen aber zumindest noch einen Deutschen im Rennen, der den Japaner Kobayashi hätte ärgern können. Nach Platz sieben in Oberstdorf verpasste Eisenbichler einen Sieg in Garmisch-Partenkirchen nur um hauchdünne 0,2 Pünktchen. Doch auch für ihn war die Reise zu einem möglichen Tournee-Triumph spätestens nach dem Innsbruck-Ersatzwettbewerb beendet. Zu viele Einbußen mit Platz acht, während sich Kobayashi über seinen dritten Sieg in Folge freute. Auch am Folgetag wurde es Rang acht für Eisenbichler.

Den Grand Slam konnte sich Ryoyo Kobayashi diesmal zwar nicht sichern, aber sowohl der Tagessieger Daniel Huber als auch die beiden Norweger Marius Lindvik und Halvor Egner Granerud konnten seinen Gesamtsieg der 70. Vierschanzentournee nicht mehr verhindern. 

Große Enttäuschung im Team – Nationenwertung verschenkt

Nach einer Tournee, die für alle Beteiligten gleichermaßen lang und ermüdend war, schien besonders beim deutschen Team die Luft raus zu sein. Nur einen Tag Pause gab es für die Skispringer, bevor direkt nach der Vierschanzentournee noch zwei weitere Weltcup-Wettbewerbe auf der Paul-Außerleitner-Schanze auf dem Programm standen. Schon im Einzelwettkampf am Samstag lief es nicht rund für die DSV-Adler – Rang acht für Geiger, der 30. und letzte Platz für Eisenbichler durch eine Disqualifikation und Freund nach Sturz nicht im Finale.

Die noch größere Enttäuschung für alle Beteiligten folgte jedoch im Teamwettbewerb am Sonntag. Mit dem sechsten Platz mussten Constantin Schmid, Andreas Wellinger, Markus Eisenbichler und Karl Geiger alle anderen Top-Nationen mit großem Abstand an sich vorbeiziehen lassen und verschenkten zudem die Führung in der Nationenwertung an Österreich. Hinzukam ein Sturz beim Ausfahren von Geiger im Finaldurchgang. „Suche Skilehrer für sicheres Ausfahren“, scherzte Geiger im Anschluss auf seinen Social-Media-Kanälen. Doch nicht nur ihm, sondern auch seinen Teamkollegen war die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Auch Bundestrainer Stefan Horngacher konnte keine wirkliche Erklärung abgeben. Sowohl er als auch ARD-Experte Sven Hannawald betonten aber, dass die mentale Müdigkeit hier eine entscheidende Rolle spielte. Ein hoher Druck, der vor allem auf Geiger lastete, die noch nicht vollständig verdaute Enttäuschung von Garmisch-Partenkirchen und die vielen Sprünge an ein und demselben Ort. 

Auch in Hinblick auf die Nationenwertung gilt: Österreich ist zum jetzigen Zeitpunkt mannschaftlich klar überlegen. Die aktuell zweitplatzierten Norweger sind allerdings nur 23 Punkte von Deutschland entfernt. Zudem ist erst gut die Hälfte der Saison geschafft, es wird also noch mehrere Möglichkeiten geben, sich Platz eins der Nationenwertung wieder zu schnappen.

Lagerkoller in Bischofshofen

„Mir langt es jetzt. Ich habe die Schnauze schon ein bisschen voll. Das ist fast schon Lagerkoller. Es ist schön, wenn man jetzt heimkommt und ein wenig Ruhe hat“, so Eisenbichler im ARD-Interview am Sonntagabend. Viele Fans stellten sich die Frage, ob ein Einsatz von Severin Freund oder Stephan Leyhe im Teamwettbewerb nicht sinnvoller gewesen wäre. Doch schon am Vortag hat man unter anderem auch bei einem Stephan Leyhe die Müdigkeit spüren können. Die Frische und der Ortswechsel fehlten dem ganzen Team. Höchste Eisenbahn also, dass sich alle Beteiligten nun ein paar Tage zu Hause erholen und die Batterien für die anstehenden Aufgaben wieder aufladen können.

Materialkontrolle der Deutschen häuft sich: „Das ist schon wieder seltsam“

Ein brisantes Thema im deutschen Skispringen ist nach den zuletzt erbrachten Leistungen auch die Materialkontrolle. Vor allem um die Anzüge geht es, an denen ständig gearbeitet und verbessert wird. „Von uns waren heute vier oder fünf Leute bei der Kontrolle. Deutschland ist sehr oft bei der Kontrolle. Sehr, sehr oft. Ich weiß nicht genau, warum“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher in der ARD. Vor Eisenbichler wurde bereits Freund bei der Vierschanzentournee in Oberstdorf wegen eines nicht regelkonformen Anzuges disqualifiziert. „Man schaut schon, dass es überall passt, aber auch, dass man nichts verschenkt“, erläuterte Geiger. Dass alle Top-Nationen mit ihrem Material am Limit arbeiten, dürfte klar sein. Aktuell häufen sich aber die Kontrollen bei einer Nation mehr, als bei anderen.

Quelle: interne Informationen, instagram/karlgeiger, ARD

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