Ehe man sich versieht, ist die Hälfte der Tournee schon wieder vorbei. Nach zwei packenden Springen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen führt der Norweger Halvor Egner Granerud mit 555 Punkten. Knapp dahinter folgt Karl Geiger mit 551 Zählern, vor den beiden Polen Kamil Stoch und Dawid Kubacki. Wir möchten eine kurze Zwischenbilanz ziehen.
Bereits vor der Qualifikation für Oberstdorf geriet die Skisprung-Welt völlig aus den Fugen. So wurden die Polen aufgrund eines positiven Testergebnisses von Klemens Muranka vorerst ausgeschlossen und traten nicht in der Qualifikation an. Einen Tag später folgte dann doch das große Aufatmen. Das Qualifikations-Springen wurde annulliert und die polnischen Springer mitsamt den Top-Stars Kamil Stoch und Dawid Kubacki durften mitmischen. Eine Entscheidung, die auch beim Kampf um den goldenen Adler von großer Bedeutung sein könnte.
Klar ist nach den ersten beiden Stationen schon mal, dass es nach den Grand-Slams von Kamil Stoch (2018) und Ryoyu Kobayashi (2019) keinen Vierfach-Sieger geben kann. Dies hätte man am ehesten Halvor Egner Granerud zugetraut. Bei der Tournee musste er sich jedoch mit den Plätzen vier und zwei begnügen. Aufgrund seiner Konstanz liegt er dennoch mit 555 Punkten an der Spitze.
Nur vier Punkte hinter Granerud: Karl Geiger noch voll im Rennen
Nur vier Punkte dahinter hält jedoch Karl Geiger die deutschen Tournee-Hoffnungen am Leben. Nach seinem Sieg beim Auftaktspringen verlor er seine Führung jedoch mit Rang fünf in Garmisch-Patenkirchen. Dies lag an seinem nicht ganz so gelungenen ersten Versuch. „Karl hat den ersten Sprung nicht so erwischt, er war bisschen zu spät und hat im Flug ein bisschen was verloren, der zweite fast perfekt“, analysiert Stefan Horngacher. Nun steht ausgerechnet der Bergisel an, wo der Oberstdorfer letztes Jahr bereits viel an Boden verloren hat. „Letztes Jahr war Innsbruck nicht perfekt, deswegen hat er sich auch mit mir abgesprochen, wie er die Sache angeht und hat definitiv einen Plan“, verrät der DSV-Coach.
Noch zwei Polen im Rennen: Kubacki mit fulminanter Aufholjagd
Voll im Tournee-Rennen mit dabei ist auch der zweimalige Sieger Kamil Stoch. Dieser erreichte die Plätze vier und zwei und hat mit 548,3 Punkten ebenfalls nur 6,7 Punkte Rückstand. Beinahe noch gefährlicher scheint Dawid Kubacki zu sein, der sich nach einem enttäuschenden 15. Platz in Garmisch mit einem echten Paukenschlag zurückgemeldet hat. So verringerte der Vorjahressieger seinen Rückstand auf einen Schlag von 26,8 auf 8,6 Punkte. „Den Fehler, den er zuvor gemacht hat, hat er jetzt nicht mehr gemacht“, so Horngacher auf die Frage, welches Detail Kubacki in seinem Sprung gefunden hat. Für den absprunggewaltigen Polen spricht auch, dass er in Bischofshofen traditionell vorzüglich zurechtkommt.
Eisenbichler zu unkonstant: Goldener Adler schon in weiter Ferne
Nur noch absolute Außenseiterchancen hat Markus Eisenbichler. Zwar setzte er mit 142 Metern im zweiten Durchgang von Oberstdorf eine echte Rakete in den Schnee, so fehlte bisweilen die Konstanz. Vor allem der siebte Platz in Garmisch-Patenkirchen schmälerten seine Erfolgsaussichten erheblich. „Der erste Sprung war eigentlich sehr gelungen. Beim zweiten kam er aber mit der Hüfte nicht ganz drüber und musste gegen den Ski arbeiten. Das war nicht ganz ideal“, bedauert Horngacher. Mit 23,5 Punkten Rückstand hat dieser nun jedoch auch nichts mehr zu verlieren.
Schlechteste Bilanz der letzten zehn Jahre: DSV-Team schwächelt in der Breite
Probleme hatte das deutsche Team bei den ersten beiden Stationen, was die mannschaftliche Geschlossenheit angeht. Während in den letzten zehn Jahren im Schnitt 6,45 Deutsche bei den ersten beiden Tournee-Stationen ins Finale sprangen, waren es in diesem Jahr lediglich drei in Oberstdorf und fünf in Garmisch-Patenkirchen. Zumindest spricht aber die Tendenz für das DSV-Team. „Martin Hamann ist in Garmisch sehr gut gesprungen und hätte sich sogar einen besseren Platz verdient gehabt. Puis Paschke ist auch wieder viel besser gesprungen und hat nur ein bisschen zu viel gegen den Ski gearbeitet. Ich bin zufrieden, dass beide nach der Oberstdorf-Niederlage wieder Richtung Weltspitze zurückgekehrt sind“, so der Bundestrainer. Abgesehen davon schafften jedoch nur Severin Freund (25. in Oberstdorf) und Richard Freitag (27. in Garmisch) Weltcuppunkte.
Trainerteam hat entschieden: Mit Schmid und ohne Freitag nach Innsbruck
Zumindest für Freitag ein Hoffnungsschimmer, nachdem er im Jahr 2020 keinen einzigen Weltcuppunkt holen konnte. „Das war definitiv positiv und ein Lebenszeichen. Die Sprünge waren nichts Außergewöhnliches aber durchaus ok“, so Horngacher zufrieden. Weniger zufrieden konnte er dagegen mit Constantin Schmid sein, der zweimal das Finale verpasste und nur mit Mühe den Sprung nach Innsbruck schaffte. „Wir haben zwischen Schmid und Freitag überlegt. Schmid hat aber schon Silber geholt bei der Skiflug-WM, einen 7. und 15. Platz im Weltcup und auch bei den internen Qualifikationen war er immer besser. Deswegen haben wir entschieden, dass er weiter fährt. Er ist ein junger und wichtiger Springer für die Zukunft. Von Richard müsste noch ein wenig mehr kommen, als dass man einen Wechsel in Erwägung zieht“, stellt Horngacher klar. Mehr kommen muss auch vom gesamten B-Team. So schafften es weder die Rückkehrer Andreas Wellinger und David Siegel, noch die junge Garde um Moritz Bär, in die Reichweite von Weltcuppunkte zu kommen.
Stefan Horngacher mit erster Tournee-Hälfte zufrieden: „Sind voll im Rennen“
Alles in allen zeigt sich aber Stefan Horngacher zufrieden mit der ersten Tournee-Hälfte. „Wir haben in Oberstdorf den Sieger gestellt und in Garmisch den fünften und siebten Rang gemacht. Wir sind voll im Rennen drin und in der Show dabei. Garmisch war schwieriger von den Bedingungen, damit haben wir alle gekämpft. Ich glaube, es ist wichtig zu zeigen, dass wir auch vorne mitspringen können“, erklärt er. Zu viel Druck will er sich und seinen Springern jedoch nicht machen. „Es ist natürlich auch ein Ziel, die Tournee zu gewinnen, doch wenn wir das nicht schaffen, können wir auch erhobenen Hauptes rausgehen“, erklärt er. Wichtig ist nun, einen Mix aus Lockerheit und Konzentration zu finden und die Team-Chemie oben zu halten. „Die Stimmung ist nach wie vor richtig gut. Wenn man in der Lage ist, vorne mitzuspringen, dann ist man entspannt und dann kann man außergewöhnliche Leistung bringen. Wir brauchen die Lockerheit, aber auch die Konzentration auf das Wesentliche“, stellt der DSV-Coach klar.
Dann könnte es vielleicht etwas werden mit dem großen Triumph, doch die Konkurrenz ist mit Granerud, Kubacki und Stoch groß. „Es sind einige Leute dabei, die ein hohes Niveau haben. Das sind schon noch ein paar im Rennen. Die Hälfte ist vorbei, jetzt kommen nochmal andere Schanzen und dann werden wir sehen, wo die Reise hingeht“, so Horngacher abschließend.
Quelle: DSV-Pressenkonferenz mit Stefan Horngacher