Bis zu 250 Meter kann man auf der legendären Skiflug-Schanze in Planica springen. Den Wahnsinn des Skifliegens kann man eigentlich erst ansatzweise begreifen, wenn man selbst einmal von der Letalnica ins Tal geblickt hat. Doch gerade dann, wenn es darum geht, sich mit voller Aggressivität von den größten Schanzen der Welt zu stürzen, sind die Slowenen voll in ihrem Element. Gerade einmal gut zwei Millionen Einwohner fasst das skisprungverrückte Land südlich von Österreich. Wenn es aber darum geht junge und talentierte Springer herauszubringen, können sie sich seit Jahren mit den stärksten Nationen messen.
Egal ob der Kamikaze-Sprungstil von Domen Prevc, die Siegesserien von Peter Prevc oder das jährliche Saisonfinale in Planica: Wenn es darum geht, Spektakel zu erzeugen, sind die Slowenen immer ganz vorne dabei. Unvergessen das Saisonfinale 2015: Mit 94 Punkten Rückstand auf Severin Freund, machte sich Peter Prevc vor heimischen Publikum zum Angriff auf den Gesamtweltcup-Sieg bereit. Mit absoluten Traum-Flügen gewann der Slowene das erste Springen und stand auch beim entscheidenden letzten Springen als letzter auf dem Balken. Doch dann passierte das unglaubliche: Ausgerechnet Landsmann Tepes, konnte Prevc mit einem sagenhaften Flug auf 244 Meter überbieten. Slowenischer Doppelsieg und doch eine große Enttäuschung. So verlor Peter Prevc den Kampf um den Gesamtsieg gegen den punktgleichen Severin Freund. Ein Rückschlag von dem sich dieser jedoch schnell erholen sollte. So gewann der heute 28-Jährige in der Saison darauf die Tournee, die Skiflug-Weltmeisterschaft und den Gesamt-Weltcup. Zwar bremsten den Seriensieger in den letzten Jahren immer wieder Verletzungen aus, so hat er in der letzten Saison gezeigt, dass wieder mit ihm zu rechnen ist. So war der Slowene mit seinem Sieg in Lillehammer der letzte Gewinner in der Saison 2019/20. In der kommenden Saison soll es nun wieder dauerhaft nach ganz oben gehen. Der Sommer lief jedoch mit Platz 11 und 16 beim Sommer-Grand-Prix in Wisla eher durchwachsen. Selbst bei den nationalen Titelkämpfen reichte es nur für Rang acht. „Um die Wahrheit zu sagen, bin ich nicht besonders zufrieden. Meine Form ist in den letzten Wochen etwas gestiegen. Es besteht aber dennoch eine gewisse Unsicherheit“, zeigt sich der Star der Slowenen im Interview mit siol.net skeptisch. Viel Zeit bleibt ihm allerdings nicht mehr, da für die Slowenen mit der Skiflug-WM in Planica bereits Anfang Dezember ein echtes Highlight ansteht. „Es wird wirklich sehr schnell gehen. Ich muss den Motor so schnell wie möglich warmlaufen lassen und mein Bestes geben. Es gilt nicht viel zu überlegen, sondern schnell in Form zu kommen. In einigen Saisons war ich am ersten Wochenende nicht so erfolgreich, aber das hat sich in den Wochen darauf auch mal schnell geändert“, erinnert er sich.
Das zweite Ass im Ärmel: Schlägt Timi Zajc bei der Skiflug-WM zu?
Bei den Fragzeichen um Peter Prevc, ist es von Vorteil, dass die Slowenen mit Youngstar Timi Zajc einen weiteren heißen Pfeil im Köcher haben. Der 20-Jährige ist ein echter Spezialist für Flugschanzen und zeigte mit einem vierten Platz in Wisla und Rang eins bei den slowenischen Meisterschaften bereits eine gute Sommerform. Für die WM in Planica ist der unbekümmerte Slowene ein echter Geheimtipp. So gewann er bereits im Jahr 2019 ein Skifliegen in Oberstdorf und legte 2020 mit zwei Podestplätzen am Kulm noch einmal nach. Im Vergleich zur vorletzten Saison fehlte Zajc im letzten Winter zwar auf den Großschanzen ein wenig die Konstanz, so muss man ihm in der kommenden Saison dennoch auf jeder Schanze auf den Zettel haben. Grenzen gibt es für das Top-Talent im Team keine. Kann er im Winter seine Top-Leistungen abrufen, gehört er zu den stärksten Springern im Feld.
Was kommt nach der slowenischen Doppelspitze? Lanisek und Jelar wollen sich in den Top-15 etablieren
Während man mit Peter Prevc und Timi Zajc durchaus von einer slowenischen Doppelspitze sprechen kann, ist dahinter vieles offen. Mit Rang 15 im Gesamtweltcup, konnte sich Anze Lanisek in der Vorsaison endlich im Vorderfeld des Weltcups stabilisieren und in Wisla und Ruka sogar auf das Podium springen. Zuvor war der 24-Jährige damit aufgefallen, Spitzenresultate aus dem Sommer nicht in den Winter zu transportieren. Klingt also ganz nach dem jungen Dawid Kubacki. Ob Lanizek nun auch im Winter so zulegen kann, wie der Pole in den vergangenen Jahren, bleibt abzuwarten. Eine Platzierung zwischen 10 und 15 im Gesamtweltcup ist ihm aber definitiv zuzutrauen. Gleiches gilt auch für Ziga Jelar. Der 23-Jährige trumpfte in der zweiten Saisonhälfte des letzten Winters mächtig auf und schaffte zum Abschluss in Lillehammer mit Rang zwei sein erstes Podium. Im Sommer zeigte er jedoch mit den Rängen 24 und 25 in Wisla noch leichte Schwächen. Bei den Meisterschaften verpasste er das Podest mit Rang vier dagegen nur knapp. Im Winter wird es nun darum gehen, die guten Ansätze in einer stabilen Form zu festigen. Dann kann auch Jelar in der erweiterten Weltspitze ein Wörtchen mitreden.
Semenic, Bartol und Pavlovcic ergänzen Aufgebot für Wisla
Neben den vier genannten werden in Wisla Anze Semenic, Tilen Bartol und Bor Pavlovcic zum Aufgebot zählen. Die beiden erstgenannten erlebten jedoch zuletzt einen rabenschwarzen Winter. Während Semenic im Gesamtweltcup Rang 37 belegte, sammelte Bartol lediglich einen Weltcuppunkt. Für beide spricht jedoch, dass sie in einer passablen Form zu den richtig guten Fliegern zählen. Die Nominierung könnte also durchaus auch darauf beruhen, dass sich die Slowenen von beiden etwas bei der Skiflug-WM erhoffen. Inwieweit Bartol und Semenic den Slowenen jedoch im Laufe der Saison wirklich helfen können bleibt abzuwarten. So belegten beide bei den nationalen Titelkämpfen auch nur die Plätze 10 und 13. Bor Pavlovic ist dagegen ein Springer, der bisher schlichtweg noch nicht den Sprung vom Youngstar zum etablierten Weltcupspringer geschafft hat. So kam der 22-Jährige trotz immenser Anlagen im Weltcup nicht über einen 16. Rang hinaus. Hierbei zeigt sich aber auch das generelle Problem der Slowenen. So hat man immer wieder hoffnungsvolle Nachwuchskräfte, die den letzten Schritt zum erfolgreichen Weltcup-Springer nicht schaffen. Selbst wenn dieser gelingt, präsentieren sich viele Athleten aufgrund ihres erbarmungslos aggressiven Sprungstils oft als „Wundertüten“.
Der Joker im Team: Wie steht es um Domen Prevc?
Paradebeispiel eines slowenischen Springers ist wohl Domen Prevc. Im Alter von 16 Jahren mischte dieser ähnlich wie Schlierenzauer seiner Zeit den Weltcup auf. Mit seiner unglaublichen Vorlage verängstigte er sowohl die anderen Nationen als auch die eigenen Trainer, worauf Sätze wie „Meine größte Angst ist, dass er keine Angst hat“ fielen. In den letzten Jahren ist es aber zunehmend ruhiger um den 21-Jährigen geworden, der meist nur noch auf Flugschanzen überzeugen konnte. Beim Saisonauftakt wird er vorerst fehlen. Grund ist auch eine Armverletzung, die Domen im Sommer eingebremst hat. „Als er einen verletzten Arm hatte, hat er viel im Fitness-Bereich trainiert. Da ihm Sprünge fehlten, trainiert er jetzt zu Hause auf einer 100-Meter-Schanze und hat wirklich viele Sprünge gemacht. Der Effekt ist sichtbar und er ist viel besser in Form als im Sommer. Es klappt immer noch nicht alles, aber es gibt positive Anzeichen „, so Trainer Bertoncelj gegenüber deol.si. Viel Zeit bleibt nicht mehr, um den „Kamikaze-Pilot“ für die Skiflug-WM in Form zu bringen, doch eines bleibt klar: Bei Domen Prevc kann im negativen wie im positiven Sinne alles ganz schnell gehen. So ist dieser in gewisser Weise ein Joker für die Slowenen im Hinblick auf dem kommenden Winter. Während Springer wie Rok Justin, Cene Prevc oder Jernej Damjan in der zweiten Reihe auf eine Chance warten, müssen wir von nun an auf zwei bekannte Gesichter verzichten. So haben nach der letzten Saison Jurij Tepes und Jaka Hvala ihre Karrieren beendet.
Trainer Gorazd Bertoncelj zeigt sich zufrieden mit der Vorbereitung
Nichts desto trotz blickt der slowenische Nationaltrainer optimistisch in Richtung Winter. Zuletzt konnte sich das Team sowohl im Kraftbereich, als auch auf der Schanze intensiv vorbereiten. „Wie immer war die Atmosphäre bei den Vorbereitungen großartig. Wir nutzten die Hilfe des örtlichen Fußballclubs, der uns eine Mini-Halle anbot. Ich muss sagen, dass wir wirklich hervorragende Bedingungen für das Training und auch für die Regeneration hatten“, freut er sich. Nach Fitnessvorbereitungen kehrte die Nationalmannschaft zurück auf die Schanze. Zuerst ging es nach Kranj und anschließend auf die Eisspur von Planica: „Wir hatten von Montag bis Freitag ein Trainingslager. Die Schanze war für uns sehr gut vorbereitet. Am Montag und Dienstag hat uns das Wetter ein wenig gestört, aber am Mittwoch hatten wir wirklich gute Trainingsbedingungen,“ verkündet er. „Wir konzentrieren uns hauptsächlich auf Sprungtechnik, Leistung und Ausrüstungstests. Ich denke, dass jeder technisch angemessen vorbereitet ist und das richtige technische Set-Up beisammen hat“, gibt er sich optimistisch. Im letzten Jahr landeten die Slowenen im Nationencup auf Rang fünf. In der kommenden Saison soll es noch um ein paar Plätze nach oben gehen. Das Potenzial dazu ist durchaus gegeben.
Quellen: berkutschi.com, delo.si, siol.net