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Vier Monate voller Tränen und Triumphe: Das waren die Höhepunkte der Saison 2020/21

Foto: OC Planica / Bobo

Zehntel-Entscheidungen bei den Weltmeisterschaften, eine Tournee, die bereits vor dem ersten Springen für mehr Schlagzeilen sorgte, als manch andere und ein norwegischer Himmelsstürmer, der von Sieg zu Sieg sprang – die Saison 2020/21 hatte außer Zuschauer vor Ort, wirklich alles zu bieten.

Es war ein ungewohntes Bild, dass wir da bereits zum Saisonauftakt in Wisla erblicken mussten. Anstelle von frenetischen polnischen Fans ist Stille eingekehrt. Lediglich gestört durch einige Schaulustigen, die ihre Springer von den naheliegenden Hängen zujubelten. Der Auftakt lief vor allem für die DSV-Adler mit einem Doppelsieg von Markus Eisenbichler und Karl Geiger hervorragend. Am darauffolgenden Wochenende ging es für den Siegsdorfer gleich mit dem zweiten Saisonsieg weiter. Im Anschluss folgte jedoch der rasante Aufstieg von Halvor Egner Granerud. Der Norweger feierte drei Erfolge hintereinander und reiste als Favorit zur Skiflug-WM. Im Vorfeld trieb jedoch auch schon das Corona-Virus sein Unwesen und legte fast die komplette österreichische Mannschaft lahm. Dies hatte den bitteren Beigeschmack, dass die Alpenrepublik schwer angenockt zur Skiflug-WM fahren musste.

Vom Kleinschanzen-Karle zum Überflieger: Karl Geiger triumphiert in Planica

Beim ersten Saison-Highlight des Jahres entwickelte sich ein packender Zweikampf zwischen dem Norweger Granerud und Karl Geiger. Am Ende entschied die Winzigkeit von 0,5 Punkten für den Oberstdorfer. Markus Eisenbichler rundete das glänzende Resultat aus DSV-Sicht ab. Beim Teamwettkampf drehten die Norweger den Spieß dank eines überragenden Fluges von Halvor Egner Granerud. Für die Schlagzeilen abseits der Schanze sorgten die Slowenen, in Person von Timi Zajc. Der junge Springer machte in den Sozialen Netzwerken den Trainer für die schlechte Verfassung des Teams verantwortlich und wurde für einige Wochen suspendiert. Jedoch bewirkte seine Aktion auch, dass Trainer Gorazd Bertoncelj als slowenischer Cheftrainer zurücktrat. Die eigentliche Flieger-Nation hätte bei der Heim-WM sicherlich lieber von der Schanze geglänzt.

Granerud bringt sich vor der Tournee in Stellung: Die Schlagzeilen gehörten jedoch erstmal den Polen

Vor allem für Karl Geiger ging es jedoch auch unmittelbar nach den Titelkämpfen rasant weiter. Erst durfte sich der frisch gekürte Weltmeister über die Geburt seiner Tochter freuen, ehe er wenige Tage später positiv auf das Corona-Virus getestet wurde. Geiger entwickelte jedoch keine Symptome und meldete sich zur Erleichterung aller rechtzeitig fit für den Tournee-Auftakt in Oberstdorf. Zuvor konnte der norwegische Senkrechtstarter in Engelberg seine Favoritenstellung deutlich unterstreichen. Vor dem Springen in Oberstdorf bestimmte jedoch erneut Corona die Schlagzeilen. Nach einem „leicht positiven“ Testergebnis von Klemens Muranka wurde das gesamte polnische Team vorzeitig aus dem Verkehr gezogen. Nach heftigen Protesten, in die sich sogar die polnische Staatsregierung einschaltete, kam es zu einem echten Novum in der Skisprung-Geschichte. Obwohl die Qualifikation bereits absolviert wurde, durften die Polen doch noch beim Tournee-Auftakt teilnehmen.

Geiger gewinnt den Auftakt, doch das Phänomen Kamil Stoch schlägt zurück

Einer zeigte sich dabei wie immer ruhig, unbeeindruckt und auf dem Punkt zur Stelle. So gewann Karl Geiger von seiner Heimschanze in Oberstdorf. Doch es sollte nicht die Tournee der Deutschen werden und erst recht nicht die des Favoriten aus Norwegen, sondern die der Polen. Während beim Neujahrsspringen noch Dawid Kubacki die Bühne gehörte, dominierte Kamil Stoch die Springen in Österreich. Der dreimalige Olympiasieger zeigte dabei wieder einmal, dass man ihn nie von der Rechnung streichen sollte. Zwar verlief die Saison für den 33-Jährigen eher wechselhaft, so funktionierte er bei den acht Sprüngen wie eine Maschine. Für den Routinier war es nach 2017 und 2018 der dritte Triumph bei der Vierschanzentournee. Ganz zum Ärger von Halvor Egner Granerud, der in einem Interview sein Missfallen ausgedrückt hat. Nachdem der Norweger bei der Vierschanzentournee etwas den Faden verloren hatte, schaffte er es jedoch schon bald, sich wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren. Der 25-Jährige sprang nach der Tournee weitere fünf Einzelsiege ein und sicherte sich vorzeitig den Gesamtweltcup. Markus Eisenbichler fehlte letztlich gerade zur Saisonmitte die Konstanz, um mit Granerud mithalten zu können. Ähnliches gilt auch für Kamil Stoch, Ryoyu Kobasyashi oder Karl Geiger, die allesamt hervorragende Phasen hatten, das Niveau jedoch nicht über die ganze Saison halten konnten.

DSV-Team rockt die Heim-WM in Oberstdorf

Bei den Weltmeisterschaften in Oberstdorf sollten sich alle Vorleistungen jedoch wieder einmal als nutzlos erweisen. So kam es erneut darauf an, am Tag X die perfekte Leistung abzurufen. Wie bereits bei der Skiflug-WM und bei der Tournee konnte Seriensieger Halvor Egner Granerud seine Favoritenstellung wieder nicht in eine Goldmedaille ummünzen. Stattdessen schlug auf der Normalschanze die Stunde von Piotr Zyla. Mit seiner Goldmedaille schaffte es der polnische Spaßvogel aus dem Schatten von Stoch und Kubacki mitten ins Rampenlicht. Ein Teil des Rampenlichts gehörte auch Karl Geiger, der sich nach einer Formdelle mit Silber furios zurückmeldete. Mit Rang drei feierte außerdem Anze Lanisek den einzigen zählbaren Erfolg für das slowenische Team. Beim anschließenden Mixed-Springen verteidigte das DSV-Team völlig überraschend den Titel. So präsentierten sich Karl Geiger und Markus Eisenbichler in Topform, während Katharina Althaus und Anna Rupprecht genau zum entscheidenden Moment ihre beste Saisonleistung abriefen.

Corona-Schock für Halvor Egner Granerud: Der Saison-Dominator bleibt ungekrönt

Die gute Stimmung verflog jedoch schon schnell wieder. Grund dafür war der positive Coronatest des norwegischen Überfliegers Granerud, der die ganze Skisprunggemeinde schockte. Demnach blieb die hervorragende Saison des Norwegers bei der WM leider ungekrönt. Stattdessen feierte Stefan Kraft auf der Großschanze eine kleine Auferstehung. Obwohl der Österreicher die ganze Saison an Rückenproblemen litt, gelang ihm von der Schattenbergschanze der eine magische Moment. Allen Widerständen zum Trotz sicherte sich der 28-Jährige die Goldmedaille. Mit Silber sprang der Norweger Robert Johansson eindrucksvoll für den erkrankten Granerud in die Presche, während es für den drittplatzierten Karl Geiger schon wieder für eine Medaille reichte. Markus Eisenbichler legte bei diesen Springen mit einem verpatzten ersten Sprung und einen Sturz im Finale eine echte Bauchlandung hin. Der Siegsdorfer sollte jedoch schon am nächsten Tag wieder im Zentrum stehen. Diesmal hatte das jedoch positive Gründe. Den DSV-Adlern (Pius Paschke, Severin Freund, Markus Eisenbichler, Karl Geiger) gelang es nämlich in einem hauchdünnen Finale, den Titel von 2019 zu verteidigen. Dieser Titelgewinn dürfte vor allem für Severin Freund etwas ganz Besonderes sein, der für seinen langen Leidensweg endlich den Lohn erntete. Damit endete die WM mit vier DSV-Medaillen, womit im Vorfeld niemand gerechnet hätte. Der Lokalmatador Geiger ging damit mit vier Medaillen als erfolgreichster Skispringer aus Oberstdorf hervor. In weiten Teilen der Saison, zeigten die DSV-Adler mannschaftlich keine so gute Leistung, wie in den letzten Jahren.

Saisonabschluss in Planica: Karl Geiger räumt erneut ab

Zum Saisonabschluss präsentierten sich DSV-Adler jedoch noch mal in bester Verfassung. Beim Kampf um die kleine Kristallgugel für den besten Skiflieger setzte sich Karl Geiger von seiner Lieblingsflugschanze in Planica erneut durch. Der 28-Jährige lieferte sich einen packenden Fight mit Ryoyu Kobayashi, der zu Saisonende nochmal so richtig in Schwung kam. Am Ende erzielten beide Springer 260 Punkte in der Skisprungwertung. Da der Deutsche jedoch zwei Springen gewinnen konnte, gehörte die kleine Kugel letztlich ihm. Ein Ergebnis, dass Erinnerungen an den Gesamtweltcupsieg von Severin Freund hervorruft. Der 32-Jährige konnte sich im Jahr 2015 ebenfalls aufgrund seiner Einzelerfolge gegen den punktgleichen Peter Prevc durchsetzen. All die sportlichen Wettstreite rückten in Planica jedoch schnell in den Hintergrund. In einer Proberunde kam nämlich der Norweger Daniel-André Tande böse zu Fall. Der Skiflug-Weltmeister lag mehrere Tage im künstlichen Koma und ließ die Mitstreiter und Fans bangen und zittern. Mittlerweile geht es dem 27-Jährigen zum Glück wieder besser und er ist wieder in seiner Heimat angekommen. Bei all den vielen Schlagzeilen der Saison, war diese mit Sicherheit die Wichtigste. Ereignisse wie diese kommen im Skispringen zum Glück nur selten vor, machen aber demütig und zeigen uns, in welchen Grenzbereichen sich die Springer bewegen. Für Daniel-André Tande scheint alles nochmal gut gegangen zu sein. Dieser kündigte schon einmal an, dass ihn die Skisprungszene so schnell nicht loswird.

Das Warten auf die neue Saison beginnt: Stephan Leyhe vor Comeback

In der Saison 2020/21 war also trotz der Corona-Pandemie einiges geboten, was vor allem den tollen Vorstellungen der Athleten zu verdanken war. Für viele war es aber sicherlich auch eine kräftezehrende Saison mit Höhen und Tiefen. Insbesondere die Teams aus Übersee, die durchgängig in Europa geblieben sind, werden sich nun erstmal auf die Heimat freuen. Wir freuen uns schon darauf, die Adler der Lüfte im Rahmen des Sommer Grand-Prix und der nächsten Weltcup-Saison zu sehen. Dabei hoffen wir natürlich auch auf ein Comeback von Stephan Leyhe, Anders Fannemel und Kilian Peier, die nach ihren schweren Knieverletzungen zurückkehren dürften und auf einen vollständig widergenesenen Daniel-André Tande.

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