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Saisonfazit 2021/22 Herren: Kobayashi, Geiger und Lindvik dominieren abwechslungsreichen Weltcup-Winter

Mit gigantischen Flügen und einer grandiosen Atmosphäre ist die über vier Monate lange Saison 2021/22 in Planica zu Ende gegangen. Mit Tournee, Olympische Spiele, Raw Air und Skiflug-WM jagte auch in diesem Winter wieder ein Highlight das andere. Zeit also, um auf eine ereignisreiche Zeit zurückzublicken.

Nizhny Tagil – Engelbeg: Kobayashi und Geiger dominieren zum Auftakt

Zum ersten Mal in der Geschichte des Weltcups fand der Auftakt im russischen Niznhny Tagil statt. Das deutsche Team feierte einen Auftakt nach Maß. Karl Geiger bestätigte mit Rang eins seine tolle Form aus dem Herbst und verwies Ryoyu Kobayashi und Halvor-Egner Granerud auf die Ränge zwei und drei. Ein Ergebnis, mit dem man bei keiner Sportwette reich geworden wäre. Beim zweiten Springen musste Ryoyu Kobayashi aufgrund einer Disqualifikation zusehen, wie Granerud und Geiger mit den Rängen eins und zwei im Gesamt-Weltcup zunächst die Führung übernahmen. Doch nicht nur für die beiden Top-Adler von Nizny Tagil lief der Auftakt gut. Sehr erfreulich war auch die Rückkehr von Stefan Leyhe und Kilian Peier, die beim zweiten Wettbewerb unter die Top-10 springen können, während auch Andreas Wellinger nach langer Leidenszeit ebenfalls erstmals wieder punkten konnte. Zur besonderen Freude aller Skisprung-Fans tauchte auch Daniel-André Tande nach seinem Horror-Sturz aus dem Vorjahr wieder auf und sprang an beiden Tagen in die Punkte.

Der Skisprung-Tross blieb erstmal im Norden, wo es im finnischen Ruka weiterging. Die Tage im dunklen Finnland wurden insbesondere für Ryoyu Kobayashi zur Achterbahn der Gefühle. Der Japaner gewann das erste Springen souverän und bewies endgültig, dass er wieder zu den absolut besten Springern gehört, ehe er aufgrund einer Corona-Infektion das zweite Springen und auch das Wisla-Wochenende verpasste. Profit konnten daraus insbesondere Anze Lanisek erzielen, der das Sonntags-Springen vor Karl Geiger und Markus Eisenbichler gewann.

In Wisla wurde zum ersten Mal im Team gesprungen. Österreich gewann in der Besetzung Fettner/Hörl/Kraft/Huber. Gerade Erstgenannter sollte im Verlaufe der Saison trotz seiner 36 Jahre noch für Furore sorgen. Zunächst musste er aber die Bühne seinem jungen Kollegen Jan Hörl überlassen, der am Tag darauf sein erstes Weltcup-Springen gewann. Ein Startschuss für eine tolle Weltcup-Saison des Österreichers.

Team Österreich blieb auch in Klingenthal erfolgreich. Diesmal sicherte sich Stefan Kraft den Sieg. Das deutsche Team mischte beim Heimspiel ebenfalls gut mit und belegte mit Geiger, Eisenbichler und Wellinger die Ränge vier, vier und sechs. Insbesondere letzterer begeisterte mit seinem zweiten Sprung, der der beste im Wettbewerb war. Leider sollte er an diese Form nicht anknüpfen können. Dafür meldete sich ein anderer Pechvogel der letzten Jahre am Tag darauf zurück. Die Rede ist von Daniel-André Tande, der in einem denkwürdigen Springen ein Norwegen-Quintett anführen konnte. Nur Ryoyu Kobayashi spielte den Party-Crasher und verhinderte mit seinem Sieg den norwegischen Fünffach-Erfolg. Der Japaner behielt seine Form und ersprang in Engelberg die Ränge eins und zwei – genauso wie Karl Geiger. Spätestens hier schien festzustehen, welche beiden Springer die Tournee unter sich ausmachen sollten..

Vierschanzentournee: Kobayashi gewinnt zum zweiten Mal souverän

20 Jahre nach dem Grand-Slam von Sven Hannawald sollte endlich wieder ein deutscher Sieg her. Die Augen waren dabei insbesondere auf Karl Geiger gerichtet. Beim Heimspiel in Oberstdorf musste der DSV-Adler jedoch eine erste kleine Niederlage einstecken. Ryoyu Kobayashi gewann und verdrängte Granerud, Johannson und Lindvik auf die Ränge zwei bis vier. Geiger musste sich – immerhin mit nur knappen Punktabstand – mit Rang fünf begnügen. Die Bühne gehörte an diesem Tag aber auch einen anderen. Die Rede ist von Fatih Arda Ipcioglu, der zum ersten Mal in der Geschichte Punkte für die Türkei holen konnte. Einen gebrauchten Tag erwischte Severin Freund, der bei seinem ersten Weltcup-Einsatz 2021/22 disqualifiziert wurde. Das Pech sollte ihm fürs Erste treu bleiben.

Das neue Skisprung Jahr begann – genauso wie das alte Jahr aufgehört hatte – mit einem Sieg von Kobayashi. Der Japaner setzte sich wie so oft hauchdünn vor einen phänomenal springenden Markus Eisenbichler durch. Karl Geiger hingegen verlor 36 Punkte auf Kobayashi und musste seinen Tournee-Traum begraben. Der Tross zog weiter nach Innsbruck, blieb dort jedoch nur einen Tag. Der Föhn machte dem Bergisel-Springen einen Strich durch die Rechnung.

Zwei Springen in Bischofshofen sollten die Entscheidung bringen. Einen ließ all das unbeeindruckt. Die Rede ist natürlich von Ryoyu Kobayashi, der das dritte Tournee-Springen gewann und seinen zweiten Grand-Slam vor Augen hatte. Apropo Grand Slam: Was war eigentlich mit Kamil Stoch und den Polen? Gegen die Tradition waren alle polnischen Springer zur überhaupt nicht in Form und sprangen der Musik gnadenlos hinterher. Die Österreicher, die ebenfalls nichts mit dem Gesamtsieg zu tun hatten, kknnten immerhin zum Abschluss über den Tagessieg von Daniel Huber jubeln, der vor Granerud und Geiger gewann. Für Kobayashi hatte sich der Grand-Slam damit zwar erledigt, jedoch fuhr er seinen zweiten Tournee-Sieg mit spielerischer Leichtigkeit ein.

Bischofshofen – Willingen: Kampf um den Gesamt-Weltcup nimmt Fahrt auf – Freund und Wellinger verpassen Olympia-Ticket

Die Kalender-Planer kannten kein Erbarmen. Nur zwei Tage nach der Tournee fanden in Bischofshofen noch zwei Weltcupspringen statt. Besonders aufgeweckt zeigten sich die Norweger, die dank Lindvik und Granerud einen Doppelsieg einfahren konnten, im Teamwettbewerb jedoch gegen Österreich das Nachsehen hatten. Die Alpenrepublik, die schon beim Teamspringen in Wisla vorne lag, legte unter anderen an diesem Tag den Grundstein für den Sieg beim Nationen-Cup. Beim Teamspringen in Zakopane reichte es für das ÖSV-Quartett dann aber nur für Rang vier. Siegreich waren diesmal die Slowenen, die von Woche zu Woche besser in Schuss kamen. Beim Einzel-Springen war mit Marius Lindvik dann aber mal wieder ein Norweger vorne und verdrängte Karl Geiger auf Rang zwei.

Der Oberstdorfer ließ das jedoch nicht auf sich sitzen und schlug ausgerechnet auf der ungeliebten Schanze von Titisee Neustadt doppelt zurück. Das Ergebnis an beiden Tagen: 1. Geiger, 2. Lanisek, 3. Eisenbichler. Das Neustadt-Wochenende sollte zudem die Entscheidung bringen, wer das deutsche Team bei den olympischen Spielen vertreten sollte. Neben Geiger, EIsenbichler, Leyhe und Schmid bekam Paschke trotz einer langen Formkrise das letzte Ticket. Severin Freund, der die Olympia-Norm aufgrund einer Pleiten-Pech-und-Pannen-Serie einen Tag zu spät lieferte, verpasste die Spiele. Gleiches galt für Andreas Wellinger, der sich zum unglücklichsten Zeitpunkt mit Corona infizierte.

Severin Freund zeigte sich aber nur kurz enttäuscht und ersprang in Willingen Rang vier. So gut konnte sich der Routinier seit 2017 nicht mehr platzieren. An der Spitze thronte jedoch mal wieder Ryoyu Kobayashi, der im ständigem Kampf um das Gelbe Trikot einen Punktsieg gegen Geiger landete. Geiger schnappte sich das Trikot mit Rang zwei beim letzten Springen vor Olympia zurück – musste sich aber gegen den immer stärker werdenden Lindvik geschlagen geben. Die Favoriten für die Spiele schienen klar: Karl Geiger, Ryoyu Kobaysashi, Marius Lindvik und Halvor-Egner Granerud.

Olympische Spiele: Gold für Kobayashi, Lindvik und Österreich – DSV-Adler kommen mit blauem Auge davon

Beim Normalschanzen-Wettbewerb konnte nur einer der genannten Favoriten seiner Rolle gerecht werden. Ryoyu Kobayashi zeigte schon im ersten Durchgang, das er die Konkurrenz an diesem Tag im Griff hat und sicherte sich ungefährdet die Goldmedaille. Die eigentlichen Sensationen folgten aber auf dem Silber- und Bronze-Rang. Tatsächlich gewann Manuel Fettner, der knapp zwei Jahrzehnte eher ein Schattendasein im österreichischen Team durchlebte die Silbermedaille und feierte mit 36 Jahren den größten Triumph seiner Karriere. Bronze für Dawid Kubacki klingt zunächst mal nicht überraschend, angesichts der schwachen Saison der Polen und der fast schon erschreckenden Leistungen von Kubacki zuvor, war diese Medaille fast die noch größere Sensation. Schwer geschlagen war an diesem Tag das deutsche Team. Karl Geiger und Co kamen von Sprung eins an nicht mit der Schanze zurecht. Constantin Schmid wurde als bester Deutscher Elfter. Für das DSV-Team sollte es jedoch noch übler kommen, wenngleich man dabei immerhin in guter Gesellschaft war.

Das olympische Mixed-Springen entwickelte sich zum diskussionswürdigsten Springen seit Jahren. Das slowenische Team gewann mit gut 100 Punkten Vorsprung vor Russland und Kanada. Ja, richtig gehört: Kanada! Die vielleicht größte Sensation der olympischen Skisprunggeschichte hatte aber so seine Gründe. Die FIS kontrollierte ausgerechnet beim wichtigsten Wettkampf der Saison anders, strenger und umfassender als sonst und zog Springerinnen aus Deutschland, Japan, Norwegen und Österreich aus dem Verkehr. Ein denkwürdiger Tag, der einige Wunden hinterlassen hatte.

Letztlich musste es aber weitergehen, denn die Großschanzen-Bewerbe standen erst noch an. Beim zweiten Einzel landeten dann auch die Dominatoren der Saison vorne. Gold ging an Marius Lindvik, der Ryoyu Kobayashi mit einem furiosen Finalsprung überflügelte. Die größten Felsklötze fielen an diesem Tag aber Karl Geiger vom Herzen, der nach den vielleicht schwierigsten Tagen seiner Karriere Bronze gewann. Kurz darauf durfte der deutsche Vorflieger gleich noch mal jubeln. Im letzten Sprung überholte der 29-Jährige Marius Lindvik und Team Norwegen und sicherte sich gemeinsam mit Markus Eisenbichler, Constantin Schmid und Stephan Leyhe Bronze. Gold und Silber gingen verdientermaßen an Österreich und Slowenien, die mannschaftlich den ganzen Winter über den besten Eindruck hinterließen.

Lahti – Lillehammer: Stefan Kraft gewinnt die Raw Air

Obwohl die Olympischen Spiele Geschichte waren, sollte die Saison 2021/22 noch mehr Spannung mitbringen. Zunächst gastierte der Tross im finnischen Lathi, wo der Kampf um den Gesamt-Weltcup für Karl Geiger und Ryoyu Kobayshi in die nächste Runde gehen sollte. Während die beiden Top-Springer des Jahres auf den Rängen fünf und sieben landeten, sprang Stefan Kraft mit einem überlegenen Sieg ins Rampenlicht und war auf einem Schlag der Favorit für die Raw Air.

Dieser Rolle wurde der Österreicher in Lillehammer gerecht, wo er sich den Sieg vor Kobayashi und Geiger sicherte, die im Gesamt-Weltcup auf Augenhöhe blieben. Kraft konnte die – aufgrund der Skiflug WM – verkürzte Raw Air für sich entscheiden, doch der Holmenkollen blieb in norwegischer Hand. Nach dem Sieg von Marius Lindvik am Samstag, feierte Daniel-André Tande knapp ein Jahr nach seinem Horror-Sturz den wohl emotionalsten Sieg der Saison.

Skiflug WM: Gold für Lindvik und Slowenien

Für Karl Geiger war die Möglichkeit gekommen, seinen Skiflug-WM-Titel aus dem Vorjahr zu verteidigen. Der Oberstdorfer erlebte jedoch ähnlich wie bei den Olympischen Spielen einen Horror-Start und verabschiedete sich schon an Tag eins von all den Medaillenträumen. Gleiches galt auch für Markus Eisenbichler, der sogar noch weiter zurücklag. Um den Skiflug-Weltmeistertitel kämpften demnach Marius Lindvik, Timi Zajc und Stefan Kraft. Während der Slowene die spektakulärsten Flüge zeigte und dreimal die größte Weite erzielte, überzeugte der Norweger mit Konstanz und guten Landungen. Demnach konnte sich der Olympiasieger von der Großschanze am Ende knapp vor Zajc und Kraft durchsetzen. Mit Peter Prevc, Anze Lanisek und Domen Prevc folgten drei Slowenen auf den Rängen vier bis sechs. Karl Geiger belegte als bester Deutscher Rang acht. Hoffnung machte aber zumindest die aufsteigende Form von Freund und Wellinger, die auf Platz 12 und 14 flogen.

Die Hoffnungen sollten sich als gerechtfertigt zeigen. Hinter den absolut überragenden Slowenen sicherte sich das DSV-Quartett die Silber-Medaille und verdrängte Norwegen überraschend auf Platz drei. Ende gut, alles gut – zumindest aus DSV-Sicht.

Oberstdorf – Planica: Slowenien dominiert beim Fliegen – Kobayashi sichert sich Gesamt-Weltcup

Der Kampf um den Gesamt-Weltcup zwischen Ryoyu Kobayashi und Karl Geiger musste bei den beiden abschließenden Weltcup-Wochenenden in Oberstdorf und Planica fallen. Weder Kobayashi noch Geiger konnten bei den Fliegen wirklich auftrumpfen. Letztlich landete der Japaner aber bei jedem Fliegen vor dem Deutschen und baute seine Führung immer weiter aus, bis verdientermaßen der Gesamtsieg feststand.

Die Pace an der Spitze bestimmten in den letzten Wochen aber ganz klar die Slowenen. Während Stefan Kraft das von Ziga Jelar angeführte slowenische Trio beim ersten Springen Fliegen in Oberstdorf noch in die Schranken weisen konnte, schlugen Zajc und Jelar einen Tag später per Doppelsieg zurück. Schon hier war also abzusehen, dass die Slowenen in Planica noch mal ein echtes Feuerwerk abfackeln werden. Mit einem Vierfach-Sieg der Gastgeber hätte dann aber wahrscheinlich trotzdem niemand gerechnet. Hierbei feierte Ziga Jelar seinen ersten Weltcup-Sieg, nachdem er weite Strecken der Saison aufgrund von Corona-Nachwirkungen verpasst hatte.

Nachdem die Slowenen auch das Teamfliegen am Samstag für sich entscheiden konnten schnupperten sie sogar noch am Nationenkampf. Die Super-Flieger gaben am Sonntag noch mal alles, konnten aber „nur“ die Ränge drei bis sieben belegen. Die dicken Punkte schnappten ihnen Marius Lindvik und Yukiya Sato weg, die beim letzten Saisonspringen vorne lagen.

Die Saison endete mit den besten drei Springern der Saison, Ryoyu Kobayashi, Karl Geiger und Marius Lindvik auf dem Gesamt-Weltcup-Podest, während sich Ziga Jelar die Skiflug-Wertung und Österreich den Nationencup sichern konnten. Bei all der Freude nach dieser abwechslungsreichen und hochklassigen Saison, die in Planica auch stimmungstechnisch noch ihren Höhepunkt fand, bleibt am Ende aber auch viel Wehmut zurück.
Die deutschen Fans werden Severin Freund und RIchard Freitag vermissen, die das deutsche Skispringen aus einer langen Talsohle befreit haben und zurück zur Weltspitze führen konnten. Beide Springer beendeten ihre Karrieren genauso wie der Japaner Daiki Ito, der Slowene Anze Semenic, der Tscheche VIktor Polasek und einige weitere Athleten.

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