Es brodelt derzeit im Norwegischen Skiverband: Grund ist eine Vertragsverlängerung des Sportchefs Clas Brede Braathen, die derzeit von Verbandsseiten nicht bewilligt wird. Mit einem offen Brief wollen Athleten, Trainer und weitere Mitglieder des Teams gegen eine mögliche Entlassung von Braathen vorgehen.

Bereits im Juni 2021 sollte eine neue Vertragsverlängerung für den Sportchef in Norwegen, Clas Brede Braathen, in trockenen Tüchern sein, denn der aktuelle Vertrag läuft im Frühjahr 2022 aus. Sowohl das Sprungkomitee als auch er selbst unterzeichneten diesen Vertrag, jedoch weigert sich die norwegische Verbandsspitze um Generalsekretärin Ingvild Bretten Berg und Skipräsident Erik Roeste seither dennoch den Vertrag zu verlängern. Eine Erklärung von Seiten des Skiverbandes wurde dafür bisher nicht geliefert. Sowohl Berg als auch Roeste ließen bereits verkünden, dass sie keine Kommentare gegenüber den Medien zu dem Fall abgeben werden. Clas Brede Braathen ist seit 2004 Sportchef und der damit bisher am längsten tätigte Sportchef des Norwegischen Skiverbandes.

„Nicht nachvollziehbar und inakzeptabel“

Als Herren-Bundestrainer Alexander Stöckl nach einer Bitte um Erklärung keine Antwort von Verbandsseiten erhielt, ergriff er die Initiative und wandte sich zusammen mit seinen Trainerkollegen, sowie Athleten und weiteren Mitgliedern des norwegischen Skisprungteams mit einem Brief an die Öffentlichkeit. Darin kritisierten sie, dass sich der Verband ohne jede Nennung eines Grundes weigert, Braathen’s Vertrag zu verlängern. Neben seinen Trainerkollegen setzten auch Maren Lundby und Robert Johansson als Athletensprecher des Damen- und Herrenteams ihre Unterschriften unter den Brief.

Besonders Maren Lundby zeigte sich durch die jahrelange Unterstützung von Braathen sehr dankbar. Der Tageszeitung Dagbladet sagte sie: „Ohne seine Unterstützung – sowohl finanziell als auch motivational – hätte ich bereits vor einiger Zeit aufgegeben. Er war für mich als Athletin bis jetzt eine unglaublich große Unterstützung.“ Auch der Gesamtweltcupsieger vergangener Saison, Halvor Egner Granerud, meldete sich kürzlich gegenüber Dagbladet zu dem Fall zu Wort: „Er ist erfolgreich in dem was er tut. Ich finde es seltsam, dass niemand rechtfertigt, warum er keinen neuen Vertrag erhalten soll. Darüber bin ich fassungslos.“

Zusammenarbeit der Teammitglieder mit Braathen weiterhin gewünscht

Sowohl Trainer als auch Athletinnen und Athleten brachten bereits mehrfach zum Ausdruck, dass sie auch weiterhin den Wunsch verspüren mit Clas Brede Braathen zusammenzuarbeiten. In dem Brief nannten sie unter anderem acht Punkte, warum Braathen als Sportchef weiter Bestandteil des Skiverbandes bleiben sollte:

  • unerschöpfliches Engagement und Enthusiasmus für den Skisprungsport
  • lange Erfahrung im Sport sowie im Skiverband
  • eine wertebasierte Führungskraft mit Erfahrung, seine Mitarbeiter zu motivieren
  • großer und guter Kontakt zu anderen Nationen und Vertretern der FIS
  • gute Sprach-/Kommunikationsfähigkeiten
  • guter Kontakt zu Presse und Medien
  • guter Kontakt zur gesamten Sprungfamilie in Norwegen – inkl. Sportbegeisterten, Veranstaltern und lokalen Helfern
  • hat den kommerziellen Wert des Skisprungsports erheblich auf das Niveau erhöht, für das unsere Partner heute zahlen – durch Entwicklung von Menschen, Kultur und Organisation

Nicht nur intern, sondern von mehreren Seiten aus ganz Norwegen erhält Braathen viel Zuspruch. „Ich bin dankbar und bewegt von der massiven Unterstützung, die ich erhalten habe“, äußerte sich Braathen in einer E-Mail an die Tageszeitung VG. „Für mich als Sportchef war es immer sehr wichtig, für Offenheit und Gleichberechtigung im Skisprungsport zu arbeiten. Diese Werte bilden die Grundlage meines Engagements, Mädchen auf allen Ebenen mit Jungen gleichzusetzen. Dies habe ich sowohl intern als auch extern klar gemacht, basierend auf dem Prinzip der Offenheit“, betonte Braathen weiter. Weiterhin kritisierte er gegenüber VG die wenige Wertschätzung, die er von der Führungsebene des Norwegischen Skiverbandes erhalten hat: „Es liegt auf der Hand, dass dies in der Geschäftsführung des Skiverbandes wenig Wertschätzung erfahren hat.“

Unverständnis in norwegischen Medien

Mit dem offenen Brief entstand innerhalb von nur 24 Stunden eine öffentliche Debatte, die auch innerhalb der norwegischen Medien für großes Unverständnis sorgte. Ex-Skispringer Anders Jacobsen, der mittlerweile als TV-Experte für NRK Sport fungiert, zeigte sich ebenfalls überrascht. „Es ist doch merkwürdig, dass es innerhalb der Skisprungsparte eine klare Einigkeit gibt und sogar ein Vertrag unterschrieben wurde – von der Generalsekretärin aber nicht und es jetzt einen Sinneswandel gegeben haben soll“, sagte er gegenüber der Tageszeitung Nettavisen. „Ich weiß, dass Clas sehr direkt und klar in seiner Meinung ist, aber in der Skisprungfamilie weiß man, dass es das Beste für den Sport ist. Er steht für Weiterentwicklung und will Veränderung. Und wenn das der Knackpunkt sein soll, dann weiß ich auch nicht mehr“, ergänzte er.

Finanzielle Schwierigkeiten erschweren persönliche Konflikte

Wie aus den norwegischen Medien wie TV2, Dagbladet und Nettavisen hervorgeht, habe Braathen die Verbandsspitze bereits mehrfach aufgrund der Corona-Situation gewarnt. Nachdem bereits bei der Raw Air 2020 aufgrund der plötzlichen Absage durch die Corona-Pandemie in Trondheim mehrere TV-Gelder verloren gingen und der Skiverband auf einer beträchtlichen Summe sitzenblieb, sollte im vergangenen Winter mit der Raw Air 2021 wieder einiges gut gemacht werden. Nach Angaben von Dagbladet sei in der Kommunikation mit dem Generalsekretär und dem Skipräsidenten jedoch mehrfach so einiges schief gelaufen. Nachdem es Norwegen als einer der größten Sprungnationen im Corona-Winter 2020/21 daher nicht gelang, nur einen Wettbewerb im Land auszurichten, wurde die Kritik an der Verbandsspitze und deren zu gering ausfallenden Bemühungen immer lauter.

Hinzu kommt das Scheitern einer Zusammenarbeit mit dem chinesischen Skiverband, für welches Braathen als Projektleiter verantwortlich gemacht wurde. 22 junge Athletinnen und Athleten sollten in Vorbereitung auf die Olympischen Winterspiele in Peking 2022 in Norwegen ausgebildet werden. Der chinesische Verband zog sich jedoch von dem Projekt zurück und ließ den norwegischen Skiverband auf etwa vier Millionen Kronen sitzen (etwa 380.000 Euro). Am Ende konnte der Verlust immerhin auf die Hälfte reduziert werden. Dennoch wurde Braathen für das Scheitern als Verantwortlicher dargestellt.

Stöckl überdenkt Zukunft in Norwegen

Am vergangenen Mittwoch nahm Stöckl an einem Treffen des Sprungkomitees teil. Noch ist nicht klar, in wie weit sein öffentlicher Brief und jedwede andere Unterstützung zugunsten Clas Brede Braathen zum Ausgang des Falls beitragen wird, dennoch erwartet sich Stöckl zumindest eine Erklärung. Gegenüber TV2 machte Alex Stöckl zudem klar, dass er sich nun zu seiner eigenen Zukunft im norwegischen Skiverband Gedanken machen müsse: „Ich muss darüber nachdenken und sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Grundsätzlich fühle ich mich dort, wo ich bin, sehr sicher und wohl. Unsicherheit durch etwas, wogegen wir nichts machen können, ist schwierig“ so Stöckl.

Seinen Fokus versucht er aktuell dennoch auf sein Team und die Vorbereitung für den anstehenden Olympia-Winter zu legen: „Wir im Trainer- und Betreuerstab werden unser Bestes geben, damit sich die Sportler auf das Wichtigste konzentrieren können, nämlich ihre eigene Entwicklung und Leistung.“ Weiter ergänzte der gebürtige Österreicher: „Die große Mehrheit, die den Brief unterschrieben hat, hat auch keinen Vertrag nach 2022.“ Er selbst werde also ebenfalls überlegen, ob er im Fall einer Nicht-Vetragsverlängerung von Braathen seinen eigenen Vertrag noch einmal verlängern möchte.

Bei einer Online-Unterschriftenaktion in Norwegen werden nun Unterschriften gesammelt, um eine Vertragsunterzeichnung für Clas Brede Braathen zu erwirken!

Quelle: TV2, Dagbladet, Nettavisen, VG

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