Dreieinhalb Monate ist es inzwischen her, als die Skispringer die Weltcup-Saison mit einem fulminanten und zum Teil auch dramatischen Skiflug-Wochenende in Planica beendet haben. Die Zeit der Frühjahresmüdigkeit ist bereits lange wieder vorbei, zumal sich die Athleten auf einen höhepunktreichen Winter, samt Olympischer Spiele in Peking, vorbereiten. Während die Adler der Lüfte bislang im Kreise ihrer Teams versucht haben, die ein oder andere Stellschraube im Sprung zu verbessern, rückt nun auch die erste internationale Standortbestimmung näher.

Am 17. Juli hat das Warten aller Skisprung-Fans endlich ein Ende. Traditionell startet die Sommer-Grand-Prix-Saison im polnischen Wisla. Dort werden sowohl die Herren als auch erstmals die Damen zwei Springen absolvieren. Zeitgleich beginnt auch die COC-Sommersaison mit den Springen in Kuopio.

Von Wisla bis Klingenthal: Diese Stationen umfasst der Sommer Grand Prix 2021

Es ist zu erwarten, dass wir in Polen einen Großteil der Stars sehen werden. Die meisten Top-Springer werden wohl auch in Courchevel (FRA) auftauchen, wo am 7. August ein weiteres Sommer-Grand-Prix-Springen ausgetragen wird. Zumal Hinterzarten auch in diesem Jahr nicht zum Kalender zählen kann, geht es im Anschluss wie gewohnt in Asien weiter. Anfang September werden im kasachischen Schuchinsk zwei Springen stattfinden. Am 4. September beginnt das Wochenende mit dem Springen von der Normalschanze (HS99) und endet mit dem Großschanzen-Wettbewerb (HS140). Allerdings ist zu erwarten, dass sich ein Großteil der Elite diesen Weg spart. Gleiches gilt wohl für das Springen in Chaikovsky (RUS) am 11. September und die Wettkämpfe in Rasnov (ROU) am 18. und 19. September. Die letzten beiden internationalen Härtetests stehen erneut in Hinzenbach (AUT) am 25. September und im sächsischen Klingenthal am 2. Oktober an. Hier werden die meisten Athleten mit Rang und Namen auf die Bühne zurückkehren, wodurch beide Wettbewerbe wichtige Aufschlüsse auf den Winter liefern werden.

Neben den Sommer-Grand-Prix-Wettkämpfen werden wir mutmaßlich aber auch den ein oder anderen namenhaften Springer sowie zahlreiche Top-Talente im Rahmen der COCs beobachten können. Geplant sind insgesamt zwölf Springen an sechs Standorten. Nach dem Abstecher im finnischen Kuopio, geht es nach Frenstat in Tschechien (13. und 14. August) und Rasnov (20. und 21. August) sowie in die Traditions-Orte Bischofshofen (11. und 12. September), Oslo (18. und 19. September) und Klingenthal (25. und 26. September).

Norwegen wieder komplett: Fannemel und Tande vor Comeback

In diesem Sommer lohnt es sich besonders hinzuschauen. Mit großer Spannung dürfen wir die Auftritte der Norweger erwarten. Nach seiner schweren Kreuzbandverletzung wagt Anders Fannemel sein Comeback. Nachdem er kurzzeitig mit einem Karriereende geliebäugelt hat, absolvierte der ehemalige Weltrekordhalter bereits im Winter wieder Trainingssprünge. Möglicherweise sehen wir das Comeback des 30-Jährigen bereits Mitte Juli im Rahmen der Wettbewerbe in Wisla oder Kuopio.

Nach seinem Horror-Sturz in Planica will auch Daniel-André Tande wieder angreifen. Wenngleich der Skiflug-Weltmeister von 2018 kurzzeitig sogar in Lebensgefahr schwebte, fühlt er sich wieder bereit, sich mit voller Kraft seinem Sport zu widmen. Möglicherweise ist es ein Vorteil, dass sich der Weitenjäger nicht an seinen Crash erinnern kann. Wer nach einem solch traumatischen Erlebnis wieder zurückkommt, muss schon aus besonderem Holz geschnitzt werden. Eine Rückkehr von Tande wäre wohl eines der spektakulärsten Comebacks in der Skisprung-Geschichte. Ob es bereits im Sommer soweit ist, wird sich zeigen. Die Wahrscheinlichkeit ist aber durchaus gegeben.

Interessant wird es aus Sicht der Wikinger aber auch, ob Halvor Egner Granerud die grandiose Form der Vorsaison in den Sommer mitnehmen kann. Der vergangene Winter endete mit einer Corona-Infektion und einem wackligen Skifliegen in Planica eher semi-optimal. Den Faden wieder aufzunehmen wird demnach vielleicht kein so leichtes Unterfangen. Gespannt darf man auch auch Robert Johansson sein, der sich im Frühjahr für eine Rücken-Operation entschieden hat. Mehr zu seiner aktuellen Situation gibt’s in der brandneuen 18. Folge unseres Podcasts „LHW to go“.

ÖSV-Adler mit Verletzungsschwierigkeiten: Diethart kündigt Comeback an

Verletzungsprobleme und eine spektakuläre Comeback-Ankündigung sorgten zuletzt in Österreich für Schlagzeilen. Ausgerechnet die beiden Vorflieger Stefan Kraft und Michael Hayböck hat es erwischt. Während sich der Weltmeister von Oberstdorf, Stefan Kraft, im Mai eine Kapselverletzung im rechten großen Zeh zuzog und bereits wieder zurück auf der Schanze ist, erlitt Hayböck ein Knochenmarksödem am Rist und einen Einriss des vorderen Syndesmosebandes und fällt sechs Wochen aus. Demnach werden wir letzteren wohl erst in Hinzenbach wieder auf Wettkampfebene erleben.

Für ordentlich Aufsehen sorgte zudem der Tournee-Sieger von 2013/14, Thomas Diethart, mit der Ankündigung eines Comebacks. Der Senkrechtstarter musste nach zahlreichen Stürzen und daraus resultierenden mentalen Blockaden seine Karriere zunächst beenden. Allerdings sei diese Angst „im wahrsten Sinne des Wortes verflogen“, wie er gegenüber laola1.at verlauten ließ. „Die Athleten haben mich immer wieder genervt, dass ich endlich einmal mit ihnen springen soll. Ich habe mich irgendwann überwunden. Es hat mir irrsinnig Spaß gemacht, ich habe richtig befreit springen können. Es ist richtig gut gegangen. Gleich vom ersten Sprung weg, als wäre nie etwas passiert,“ zeigt er sich euphorisch.

Nicht ganz so euphorisch ist die Lage hingegen bei Gregor Schlierenzauer. Der Rekord-Weltcupsieger zog sich Ende des Winters einen Kreuzbandanriss zu. Wenngleich er nach der Verletzung bekannt gab „die Ärmel hochkrempeln“ zu wollen, deutet derzeit viel auf ein Karriereende hin. In den Sozialen Medien macht sich der Springer seit Monaten mehr oder weniger rar. TVP Sport zufolge weiß der Tiroler derzeit noch nicht, ob er seine Karriere fortsetzen wird. Vieles hängt mutmaßlich von seinem Genesungsprozess ab, von dem es jedoch keine Informationen gibt. Erschwerend hinzu kommt für Schlierenzauer, dass er nicht in den österreichischen Kader berufen wurde.

Was passiert hinter Eisenbichler und Geiger: Kommen Wellinger und Freitag wieder in Fahrt?

Nach der erfolgreichen Vorsaison warten wir natürlich auch gespannt darauf, was die beiden Vorflieger Markus Eisenbichler und Karl Geiger wenige Monate vor Olympia leisten können. Während wir uns bei den beiden Top-Athleten eigentlich keine größeren Sorgen machen müssen, hinterließen andere Springer zuletzt größere Fragezeichen.

Für Andreas Wellinger lief die Comeback-Saison nach seinem Kreuzbandriss alles andere als rund. Der Olympiasieger von 2018 holte keinen einzigen Weltcup-Punkt und sprang letztlich sogar im FIS-Cup hinterher. Nachdem der 25-Jährige vorzeitig aus dem Wettkampfgeschehen hinausgenommen worden war, hoffen wir nun auf einen neuen Andreas Wellinger, der wieder mehr den früheren Weitenjäger erinnert. Womöglich ist es ein Vorteil, dass Wellinger dank seiner Goldmedaille von 2018 zumindest von der Normalschanze als Titelverteidiger gesetzt ist. Der Kampf um die Positionen wird im deutschem Team jedenfalls kein leichter.

Nach dem verpatzten letzten Winter, hoffen wir schließlich auch, dass Richard Freitag zurück in die Spur findet. Nach seiner langen Verletzungspause will auch David Siegel weiter Fortschritte machen. Zudem möchte auch Stephan Leyhe wieder zu Höhenflüge ansetzen, nachdem er den letzten Winter aufgrund eines Kreuzbandrisses verpasst hat. Aus deutscher Sicht wird es auch spannend zu sehen, ob der zuletzt schwächelnde Nachwuchs einen Schritt nach vorne gemacht hat. Von Springern, wie Luca Roth, Philipp Raimund oder Kilian Märkl erhofft sich der DSV, dass sie sich im Weltcup etablieren können.

Leider werden einige bekannte Namen nicht mehr auf internationaler Bühne auftreten. Mit Jernej Damjan, Dimitri Vassiliev und Vojtech Stursa haben drei bekannte oder zumindest geläufige Namen kürzlich ihre Skier an den Nagel gehängt.

Skispringerinnen erstmals in Wisla am Start: Sechs Grand-Springen und sechs COCs stehen an

Nicht ohne Verluste geht es auch für die Damen in die vor-olympische Sommer-Saison. Nicht mehr mit dabei ist die ehemalige Vorfliegerin Sarah Hendrickson, Manuela Malsiner und Ramona Straub. Alle drei hatten in der Vergangenheit mit erheblichen Verletzungsproblemen zu kämpfen. Zudem hat auch die erst 21-jährige Französin Lucile Morat ihre Laufbahn beendet.

Für die anderen Springerinnen geht es am 17. und 18. August mit zwei Springen in Wisla los. Ein Tag vor dem Männer-Wettbewerb, werden auch die Damen ein Springen in Couchevel (6. August) bestreiten. Im Anschluss warten noch je ein Wettkampf in Frenstat (15. August), Chaikovsky (11. September) und Klingenthal (2. Oktober). Die ein oder andere bekannte Vertreterin wird mutmaßlich aber auch im COC zu sehen sein. Die Damen werden parallel zu ihren männlichen Kollegen je zwei Springen in Kuopio (17. und 18. August), Rasnov (21. und 22. August) und Oslo (18. und 19. September) bestreiten.

Dichte im Springerinnenfeld steigt: Kann Maximilian Mechler die DSV-Damen zurück an die Spitze führen?

Bereits das dramatische Weltcup-Finale im vergangenen Winter, bei dem sich Nika Kriznar hauchdünn vor Sara Takanashi und Marita Kramer durchsetzen konnte, hat uns einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie eng die Spitze derzeit aneinander ist. Dies verdeutlicht auch, dass mit Maren Lundby und Ema Klinec zwei Athletinnen in Oberstdorf Gold geholt haben, die nicht im Kampf um die große Kristallkugel mitmischen konnten. Aus Sicht der DSV-Damen war lediglich ein Tag in der vergangenen Saison wirklich goldig. Im richtigen Moment zeigten Katharina Althaus und Anna Rupprecht im WM-Mixed-Springen tolle Leistungen, was ihnen gemeinsam mit Karl Geiger und Markus Eisenbichler WM-Gold einbrachte. Ansonsten waren die DSV-Damen jedoch ein Stück weit von der Weltspitze entfernt.

Diese Lücke soll nun mit dem neuen Bundestrainer, Maximilian Mechler, geschlossen werden. Am stärksten ist zweifellos Katharina Althaus einzuschätzen, die möglicherweise schon im Sommer wieder Podiumsplätze angreifen kann. Ein Fragezeichen steht hingegen hinter Carina Vogt, die nach ihrem Kreuzbandriss immer wieder Probleme offenbarte. Zurück in die Spur möchte auch Juliane Seyfarth, die eine enttäuschende Saison hinter sich hat. Olympia in Peking sollte jedenfalls Anreiz genug sein, um sich mit voller Motivation in Richtung Weltspitze zu kämpfen. Der Sommer wird hierzu schon einige spannende Aufschlüsse liefern.

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